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Allgemeine Information


Wahl des Bewertungsverfahrens (§ 7 LBG)


Gesetzliche Quellen:

§ 7 Liegenschaftsbewertungsgesetz idF BGBl. Nr. 150/1992

Wahl des Wertermittlungsverfahrens (§ 7 LBG)

(1) Soweit das Gericht oder die Verwaltungsbehörde nichts anderes anordnen, hat der Sachverständige das Wertermittlungsverfahren auszuwählen. Er hat dabei den jeweiligen Stand der Wissenschaft und die im redlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten zu beachten. Aus dem Ergebnis des gewählten Verfahrens ist der Wert unter Berücksichtigung der Verhältnisse im redlichen Geschäftsverkehr zu ermitteln.

(2) Sind für die Bewertung mehrere Wertermittlungsverfahren anzuwenden (§ 3 Abs. 2), so ist aus deren Ergebnissen der Wert unter Berücksichtigung der Verhältnisse im redlichen Geschäftsverkehr zu ermitteln.

Aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes: 

§ 3 Abs 1 LBG enthält keine abschließende Aufzählung der zulässigen Bewertungsverfahren (arg „insbesondere“). Mangels Vorgabe einer Bewertungsmethode durch das Gericht hat nach § 7 Abs 1 LBG der Sachverständige selbst die geeignete (geeigneten) Methoden (siehe auch § 3 Abs 2 leg.cit.) auszuwählen. Diese (von ihm auch begründete) Wahl unterliegt nicht der Überprüfung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0109006).

Erläuterung:

Grundsätze der Wahl des Bewertungsverfahren:

Grundsätzlich ist es im Anwendungsbereich des Liegenschaftsbewertungsgesetzes die Entscheidung des Sachverständigen, welches Wertermittlungsverfahren zur Anwendung gelangen soll. Er ist dabei gerade nicht auf die in § 3 Abs 1 LBG demonstrativ aufgezählten Bewertungsmethoden beschränkt sondern hat vielmehr selbst die geeignete Methode unter Beachtung des jeweiligen Standes der Wissenschaft und der im redlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten auszuwählen, wenn ihm das Gericht nicht eine bestimmte Bewertungsmethode vorgibt. 

So führte der Oberste Gerichtshof etwa in seiner Entscheidung vom 04.08.2009 zu 9 Ob 74/08k im Zusammenhang mit der zwangsweisen Einräumung einer Permanentservitut (Errichtung und Betrieb einer unterirdischen Eisenbahntunnelanlage 12m unter dem bebauten Grundstück des Antragsstellers) aus, dass die vom Sachverständigen gewählte Methode der prozentuellen Abwertung des durch die Servituten in Anspruch genommenen Grundstücksstreifens eine brauchbare Bewertungsgrundlage abgebe. Eine Wertminderung des Restgrundstücks – also in concretu auch der Wohnung des Antragstellers – könne schon mangels Anwendbarkeit der Vergleichswertmethode nicht festgestellt werden und sei daher nicht starr an den im LBG anführten Ermittlungsmethoden festzuhalten. Mitunter sind jedoch auch für den Sachverständigen rechtliche Erwägungen bereits bei der Wahl des Wertermittlungsverfahrens beachtlich. Im Verfahren des Obersten Gerichtshofes zu 3 Ob 272/02z setzte sich dieser mit der Frage der analogen Anwendung von Bestimmungen des TirHöfeG auf sogenannte „walzende Grundstücke“ (Das sind Grundstücke, die von der Unteilbarkeit ausgenommen sind und über die demnach unter Lebenden und auf den Todesfall frei verfügt werden kann) auseinander. Die – wegen vorherigen Verkaufes der Liegenschaft – übergangene pflichtteilsberechtigte Klägerin machte in diesem Verfahren einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 951 Abs 1 ABGB geltend. In diesem Zusammenhang sprach der Oberste Gerichtshof aus, nach welchen Grundsätzen landwirtschaftliche Betriebe oder mit einem geschlossenen Hof gemeinsam bewirtschaftete landwirtschaftliche Grundstücke zu bewerten seien. Der Oberste Gerichtshof verwies hinsichtlich der Methode zunächst auf im Rahmen einer Pflichtteilsergänzungsklage bereits ergangene Rechtsprechung (OGH in 6 Ob 12/76; 6 Ob 2/90). In Ermangelung einer ausdrücklichen Bestimmung über die Schätzung zum Zweck der Pflichtteilsberechnung müsse nach § 306 ABGB allgemein der gemeine Preis als Richtschnur dienen. Die Wahl der Bewertungsmethode hänge somit in erster Linie vom Zweck der Wertermittlung ab. Das Pflichtteilsrecht verfolge den Zweck, dem Noterben einen Mindestanteil am Nachlasswert zu sichern und sei daher entscheidend, welchen Wert der Gegenstand ganz allgemein für seinen Eigentümer habe. Beruhe der Wert einer solchen Sache nach der Verkehrsauffassung, insbesondere, weil ein wirtschaftlicher und funktioneller Zusammenhang mit einem bestehenden Bauerngut (geschlossener Hof) besteht, vor allem auf einem Ertrag bzw einem sonstigen Nutzen, sei der Pflichtteilsberechnung der Ertragswert zu Grunde zu legen. Bestehe kein solcher Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Grundstück, sei nach dem Verkehrswert zu bewerten. Mangels eines solchen Zusammenhangs erachtete der Oberste Gerichtshof im angeführten Verfahren das Verkehrswertverfahren als angemessen. Eine analoge Anwendung der Bestimmungen des TirHöfeG – insbesondere der Bestimmung über den Übernahmswert nach § 21 TirHöfeG, wonach in erster Linie das Ertragswertverfahren unter Rücksichtnahme des „Wohlbestehenkönnens“ des Übernehmers zur Anwendung gelangen sollte – lehnte der Oberste Gerichtshof jedoch ab. Gerade anhand dieser Entscheidung wird deutlich, dass der gerichtliche Auftrag auch bei fehlender Vorgabe der Wertermittlungsmethode bereits maßgeblichen Einfluss auf die Wahl der Wertermittlungsmethode hat und in Zweifelsfällen daher auch der Zweck der Wertermittlung vor Beginn der Tätigkeit zu eruieren ist.

Es kann sein, dass aufgrund der Beschaffenheit der zu bewertenden Sache die Anwendung nur einer Wertermittlungsmethode nicht ausreicht, um bei der Bewertung sämtliche wertbestimmenden Faktoren zutreffend zu erfassen. So ist etwa der Verkehrswert eines bewaldeten Grundstücks im Regelfall aus dem Vergleichswert für den Boden und dem Ertragswert des Bestandes zu bilden. Bebaute Liegenschaften werden mitunter sowohl nach dem Vergleichswertverfahren als auch nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten sein, wobei voneinander abweichende Ergebnisse der beiden Methoden zu einer einzigen Bewertung zu kombinieren sind. In solchen Fällen müssen mehrere Wertermittlungsverfahren für die Bewertung durchgeführt und miteinander verbunden werden. Die Auswahl der Methode zur Ermittlung des Verkehrswerts hat danach zu erfolgen, welche Methode am besten den Umständen des Einzelfalls gerecht wird, was auch für eine Kombination mehrerer Methoden zu gelten hat (vgl RIS-Justiz RS0066226 [T2, T3]).

In seiner Entscheidung vom 12.10.2004 zu 1 Ob 141/04y befasste sich der Oberste Gerichtshof mit Entschädigungszahlungen gegenüber Grundeigentümern gemäß § 12 Abs 4 WRG 1959 für die „Verschlechterung der Bodenbeschaffenheit“ zufolge Inbetriebnahme des Grundwasserwerkes Mitterndorfer Senke durch die Stadt Wien. Diese Entschädigungszahlungen sollen die Minderung der Ertragsfähigkeit betroffener Böden infolge der durch die Wasserbenutzungsanlage voraussichtlich eintretenden Absenkung des Grundwasserspiegels ausgleichen. Die Sachverständigen hielten in ihrem Gutachten unter anderem fest, dass aus fachlicher Sicht eine auf die kleinräumigen Verhältnisse und die Einzelparzellen des Untersuchungsgebietes ausgerichtete Ermittlung von Ertragswertminderungen nicht möglich sei, weil es an verwertbaren Daten über die durch die Grundwasserabsenkung verursachten Ertragsveränderungen mangle und die im Verwaltungsverfahren erstellten Ertragsermittlungen als äußerst problematisch und umstritten anzusehen seien und daher für die Zwecke dieses Verfahrens nicht heranzuziehen seien. 

Die Sachverständigen bedienten sich bei der Ermittlung des ertragsbezogenen geldwerten Äquivalents der durch die Grundwasserentnahme verursachten Verschlechterung der Bodenbeschaffenheit deshalb eines anderen Maßstabs, um ein durch ausreichendes Datenmaterial abgesichertes Ergebnis erzielen zu können. Das Ausmaß der Verschlechterung der Bodenbeschaffenheit wurde von ihnen nach dem Kostenaufwand für jene Beregnungsmenge ausgemittelt, die erforderlich ist, um die Fruchtbarkeit der betroffenen Böden – und damit deren Ertrag – auf dem gleichen Niveau wie vor der voraussichtlichen Absenkung des Grundwasserspiegels durch die Wasserbenutzungsanlage der Stadt Wien zu halten. Dies stellt lediglich eine andere Art einer ertragsbezogenen Entschädigungsberechnung dar. Dabei wird nicht der durch Ernteminderungen verursachte Gewinnentgang, sondern die Bewässerungskosten berechnet, die zur Erwirtschaftung gleicher Ernteerträge wie vor dem Eingriff in den Grundwasserhaushalt aufzuwenden sind. Die Stadt Wien vertrat in diesem Verfahren bis zuletzt den Standpunkt, die den Entschädigungswerbern zuerkannten Beträge beruhten auf einer untauglichen Ermittlungsmethode.

Der Oberste Gerichtshof sprach in diesem Zusammenhang in aller Deutlichkeit aus, dass eine „Berechnung der Ertragsminderung“ – wie von der Stadt Wien gefordert – überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Es folge aus der bisherigen Rechtsprechung eindeutig die Leitlinie, dass es bei der Beweisaufnahme durch Sachverständige deren Aufgabe sei, aufgrund ihrer einschlägigen Fachkenntnisse jene Methode auszuwählen, die sich zur Klärung der nach dem Gerichtsauftrag jeweils maßgebenden strittige(n) Tatfrage(n) am besten eigne; andernfalls verhindere das Gericht, dem es an der notwendigen Fachkunde zur Lösung der durch Sachverständige zu beurteilenden Tatfragen mangle, die Fruchtbarmachung spezifischen Expertenwissens. Das Gericht habe daher Sachverständigen die im Zuge der Auftragserledigung anzuwendende(n) Methode(n) im Allgemeinen nicht vorzuschreiben, gehöre doch die Methodenwahl zum Kern der Sachverständigentätigkeit. Abgesehen davon hätten Sachverständige stets selbst zu beurteilen, ob sie bestimmten Gerichtsaufträgen mit Hilfe schon vorhandener oder erst zu ermittelnder Daten entsprechen können oder die ersteren nach Maßgabe ihres Fachwissens einer Modifizierung bedürfen.

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Anrufung des Obersten Gerichtshofes wegen unrichtiger Wahl des Wertermittlungsverfahrens?