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RECHTSPRECHUNG


RS0115189


Der erkennende Senat gelangt somit zum Ergebnis, dass ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB geführt hat, nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht kommt. Bei leichter Fahrlässigkeit oder im Fall bloßer Gefährdungshaftung fehlt es hingegen an der erforderlichen Schwere des Zurechnungsgrundes (siehe RS0115190). In seiner jüngsten Entscheidung zu 4 Ob 208/17t lies der Oberste Gerichtshof jedoch offen, ob unter gewissen Umständen ein Ersatz von ideelen Schäden nicht auch schon bei leichter Fahrlässigkeit denkbar wäre. Anlassfall war die Vertauschung eines Neugeborenen auf der Geburtenstation.


Rechtssatz:

Der erkennende Senat gelangt somit zum Ergebnis, dass ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB geführt hat, nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht kommt. Bei leichter Fahrlässigkeit oder im Fall bloßer Gefährdungshaftung fehlt es hingegen an der erforderlichen Schwere des Zurechnungsgrundes (siehe RS0115190).

Gericht:
OGH

Geschäftszahl:
2Ob84/01v; 2Ob136/00i; 8Ob127/02p; 2Ob141/04f; 2Ob90/05g; 2Ob99/05f; 2Ob98/05h; 2Ob62/05i; 2Ob212/04x; 2Ob18/06w; 2Ob153/06y; 8Ob133/06a; 1Ob88/07h; 2Ob15/07f; 2Ob263/06z; 2Ob163/06v; 2Ob139/07s; 2Ob55/08i; 10Ob81/08x; 1Ob178/08w; 2Ob152/08d; 2Ob39/09p; 2Ob195/09d; 2Ob201/09m; 2Ob138/10y; 2Ob219/10k; 13Os141/11a (13Os160/11w); 9Ob28/14d; 1Ob114/16w; 2Ob48/16x; 2Ob189/16g; 4Ob208/17t

Schlagworte:

Entscheidung:
16.05.2001

Norm:
ABGB §1325 E4

Kategorie:


WEITERE INFORMATIONEN

Entscheidungstexte


2 Ob 84/01v 2 Ob 84/01v Entscheidungstext OGH 16.05.2001 2 Ob 84/01v Veröff: SZ 74/90
2 Ob 136/00i 2 Ob 136/00i Entscheidungstext OGH 16.05.2001 2 Ob 136/00i Auch
8 Ob 127/02p 8 Ob 127/02p Entscheidungstext OGH 29.08.2002 8 Ob 127/02p Vgl auch; Veröff: SZ 2002/110
2 Ob 141/04f 2 Ob 141/04f Entscheidungstext OGH 01.07.2004 2 Ob 141/04f Beisatz: Der Anspruch auf Trauerschmerzengeld kann nicht schon mit der Begründung verneint werden, das Ableben von Eltern entspreche für erwachsene Kinder ohnehin dem "Lebenskalkül". (T1)
2 Ob 90/05g 2 Ob 90/05g Entscheidungstext OGH 21.04.2005 2 Ob 90/05g Beisatz: Für die Zuerkennung von Trauerschmerzengeld ist die intensive Gefühlsgemeinschaft maßgeblich, wie sie zwischen den nächsten Angehörigen typischerweise besteht. (T2) Beisatz: Geschwister fallen in den Grenzbereich des anspruchsberechtigten Personenkreises. (T3) Beisatz: Auch zwischen Geschwistern, die im gemeinsamen Haushalt leben, besteht typischerweise eine solche Gemeinschaft. Gegenteiliges hätte der Schädiger zu beweisen. Ohne Haushaltsgemeinschaft reicht das familiäre Naheverhältnis zwischen Geschwistern für sich allein nicht aus, um einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld zu begründen. Vielmehr wäre dann vom Geschädigten das Bestehen einer intensiven Gefühlsgemeinschaft, die jener innerhalb der Kernfamilie annähernd entspricht, zu beweisen. (T4) Veröff: SZ 2005/59
2 Ob 99/05f 2 Ob 99/05f Entscheidungstext OGH 23.05.2005 2 Ob 99/05f Auch; Beis wie T4; Beisatz: Hat der Kläger wegen des Unfalltodes eines Geschwisters einen Krankheitswert erreichenden „Schockschaden " erlitten, dann ist bereits eine intensive Gefühlsgemeinschaft, wie sie zwischen nächsten Angehörigen typischerweise besteht, jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Geschwister vor dem Unfall im gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder die gemeinsame Haushaltszugehörigkeit erst so kurze Zeit vor dem Unfall beendet wurde, dass eine Änderung in den Gefühlsbeziehungen seither noch nicht eingetreten sein konnte. In beiden Fällen wäre die Annahme einer intensiven Gefühlsgemeinschaft selbst dann nicht widerlegbar, wenn diese Nahebeziehung vor dem Unfall gerade gestört gewesen sein sollte. (T5)
2 Ob 98/05h 2 Ob 98/05h Entscheidungstext OGH 14.06.2005 2 Ob 98/05h Auch; Beis wie T4; Beis wie T5
2 Ob 62/05i 2 Ob 62/05i Entscheidungstext OGH 07.07.2005 2 Ob 62/05i Auch
2 Ob 212/04x 2 Ob 212/04x Entscheidungstext OGH 02.02.2006 2 Ob 212/04x Auch; Beisatz: Hier: Lebensgefährte, grobe Fahrlässigkeit, Schockschaden mit Krankheitswert; Schmerzengeld 11.000,-- Euro. (T6)
2 Ob 18/06w 2 Ob 18/06w Entscheidungstext OGH 02.02.2006 2 Ob 18/06w Beisatz: Selbst die Ausweitung dieser Rechtsprechung auf Fälle schwerster Verletzung von nahen Angehörigen würde grobes Verschulden des Schädigers voraussetzen. (T7)
2 Ob 153/06y 2 Ob 153/06y Entscheidungstext OGH 13.07.2006 2 Ob 153/06y Auch; Beisatz: Zur groben Fahrlässigkeit kann auch auf die Judikatur zu § 61 VersVG (RS0080275, RS0080414) zurückgegriffen werden. (T8)
8 Ob 133/06a 8 Ob 133/06a Entscheidungstext OGH 30.11.2006 8 Ob 133/06a Auch
1 Ob 88/07h 1 Ob 88/07h Entscheidungstext OGH 26.06.2007 1 Ob 88/07h Auch; Veröff: SZ 2007/101
2 Ob 15/07f 2 Ob 15/07f Entscheidungstext OGH 14.06.2007 2 Ob 15/07f Auch; Beis wie T6 nur: Lebensgefährte, grobe Fahrlässigkeit; Schmerzengeld. (T9) Beisatz: Eine Person, die zwar eine gewisse Nahebeziehung zum Getöteten hatte, jedoch mit dem Getöteten weder (nah) verwandt noch verheiratet noch deren Lebensgefährte war, hat keinen Anspruch auf Schmerzengeld wegen eines erlittenen Trauer- oder Schockschadens. (T10)
2 Ob 263/06z 2 Ob 263/06z Entscheidungstext OGH 12.07.2007 2 Ob 263/06z Auch; auch Beis wie T2; Beisatz: Die Intensität der familiären Bindung, das Alter von Unfallopfer und Angehörigen und insbesondere das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft sind bei der Bemessung der Anspruchshöhe von Bedeutung. Die Intensität der Gefühlsgemeinschaft kann nicht (nur) an der Anzahl der gemeinsam verbrachten Lebensjahre gemessen werden. Der Umstand, dass die Kläger um den Verlust eines haushaltszugehörigen Mitgliedes der Kernfamilie (Eltern-Kinder) trauern und wegen der besonderen Intensität der familiären Nahebeziehung auch als besonders schutzwürdig anzusehen sind, fällt entscheidend ins Gewicht (hier: Verlust der sechsjährigen Tochter; Schmerzengeld Euro 20.000,-- pro Elternteil). (T11)
2 Ob 163/06v 2 Ob 163/06v Entscheidungstext OGH 14.06.2007 2 Ob 163/06v Beis wie T7; Beisatz: Keine zwingenden Wertungswidersprüche zur Rechtslage bei entgangenen Urlaubsfreuden oder sexuellen Belästigungen. (T12) Veröff: SZ 2007/96
2 Ob 139/07s 2 Ob 139/07s Entscheidungstext OGH 09.08.2007 2 Ob 139/07s
2 Ob 55/08i 2 Ob 55/08i Entscheidungstext OGH 26.06.2008 2 Ob 55/08i Auch; Vgl Beis wie T3; Vgl Beis wie T4 nur: Auch zwischen Geschwistern, die im gemeinsamen Haushalt leben, besteht typischerweise eine solche Gemeinschaft. (T13) Ähnlich Beis wie T11 nur: Die Intensität der familiären Bindung, das Alter von Unfallopfer und Angehörigen und insbesondere das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft sind bei der Bemessung der Anspruchshöhe von Bedeutung. (T14) Beisatz: Ein sehr hoher Verschuldensgrad des Schädigers ist für die Bemessung der Höhe des Trauerschmerzengelds nicht ausschlaggebend. Das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers ist vielmehr überhaupt erst Voraussetzung für die Zuerkennung eines Trauerschmerzengelds an nahe Angehörige, wenn der Seelenschmerz zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinn des § 1325 ABGB geführt hat. (T15) Beisatz: Hier: Tod einer bei einem Verkehrsunfall schwer verletzten haushaltszugehörigen 19jährigen Jugendlichen nach mehrtägigem Spitalsaufenthalt - Trauerschmerzengeld Eltern 20.000 Euro, Geschwister 15.000 Euro. (T16)
10 Ob 81/08x 10 Ob 81/08x Entscheidungstext OGH 09.09.2008 10 Ob 81/08x Auch; Beis wie T2; Beis wie T4; Beisatz: Hier: Ein Zuspruch von Trauerschmerzengeld an die Eltern in Höhe von je 17.000 EUR und an die beiden Brüder von je 8.000 EUR hält sich im Rahmen der neueren höchstgerichtlichen Rechtsprechung. (T17)
1 Ob 178/08w 1 Ob 178/08w Entscheidungstext OGH 16.09.2008 1 Ob 178/08w Auch
2 Ob 152/08d 2 Ob 152/08d Entscheidungstext OGH 30.10.2008 2 Ob 152/08d Auch
2 Ob 39/09p 2 Ob 39/09p Entscheidungstext OGH 25.06.2009 2 Ob 39/09p Auch; Beis wie T2; Beis wie T3; Beis wie T4; Beisatz: Die formale, an der familienrechtlichen Beziehung orientierte Abgrenzung des berechtigten Personenkreises sowie die an die Haushaltsgemeinschaft geknüpfte Beweislastverteilung ist beim Schadenersatz für den (bloßen) Trauerschmerz notwendig, weil sich das Bestehen und der Umfang dieses Gefühlsschadens wegen des Fehlens einer gesundheitlichen Beeinträchtigung nur schwer feststellen und überprüfen lässt. (T18)
2 Ob 195/09d 2 Ob 195/09d Entscheidungstext OGH 18.12.2009 2 Ob 195/09d Vgl auch
2 Ob 201/09m 2 Ob 201/09m Entscheidungstext OGH 18.12.2009 2 Ob 201/09m Vgl auch
2 Ob 138/10y 2 Ob 138/10y Entscheidungstext OGH 03.03.2011 2 Ob 138/10y Vgl auch
2 Ob 219/10k 2 Ob 219/10k Entscheidungstext OGH 22.06.2011 2 Ob 219/10k Vgl; Beisatz: Für das Trauerschmerzengeld ist grobes Verschulden des Schädigers Anspruchsvoraussetzung. (T19) Bem: Zum 2. Rechtsgang siehe 2 Ob 148/15a. (T19a) Veröff: SZ 2011/76
13 Os 141/11a 13 Os 141/11a Entscheidungstext OGH 10.05.2012 13 Os 141/11a Auch; Auch Beis wie T2; Beisatz: Eine intensive Gefühlsgemeinschaft zwischen Eltern und Kind ist - soweit nicht Gegenteiliges bewiesen wird - stets zu vermuten. (T20)
9 Ob 28/14d 9 Ob 28/14d Entscheidungstext OGH 27.11.2014 9 Ob 28/14d Auch
1 Ob 114/16w 1 Ob 114/16w Entscheidungstext OGH 30.08.2016 1 Ob 114/16w Beis wie T2; Beis wie T3; Beis wie T4; Beis wie T6; Beis wie T9; Beis wie T10; Beis wie T11; Beis wie T20; Veröff: SZ 2016/79
2 Ob 48/16x 2 Ob 48/16x Entscheidungstext OGH 28.03.2017 2 Ob 48/16x Vgl auch; Beis ähnlich wie T14; Beisatz: Für die Bemessung ist nicht die Dauer des Seelenschmerzes, sondern die Intensität der familiären Beziehung maßgebliches Kriterium. (T21)
2 Ob 189/16g 2 Ob 189/16g Entscheidungstext OGH 28.11.2017 2 Ob 189/16g
4 Ob 208/17t 4 Ob 208/17t Entscheidungstext OGH 22.03.2018 4 Ob 208/17t Auch; Beisatz: Die mit der Vertauschung eines neugeborenen Kindes auf einer Geburtenstation verbundene, massivste Beeinträchtigung der immateriellen Interessen von Eltern und Kind ist wertungsmäßig der Tötung bzw. schweren Verletzung eines nahen Angehörigen vergleichbar und rechtfertigt in Übereinstimmung mit den zum Trauerschmerzengeld entwickelten Grundsätzen einen Ersatzanspruch für erlittenen Seelenschmerz. (T22); Beisatz: Ob der Ersatz ideeller Schäden stets grobes Verschulden voraussetzt oder ob – insbesondere angesichts neuerer gesetzlicher Regelungen wie vor allem § 1328a ABGB – ein Zuspruch unter bestimmten Voraussetzungen bereits bei leichter Fahrlässigkeit in Betracht kommt, wurde hier ausdrücklich offen gelassen. (T23); Beisatz: In Anbetracht der Schwierigkeiten einer monetären Bewertung seelischer Schmerzen ist eine einheitliche Spruchpraxis von besonderer Bedeutung. (T24)