Rechtsprechung

RS0012971

Bäuerlicher Übergabsvertrag: Der bäuerliche Übergabsvertrag kann entgeltliche und unentgeltliche Elemente enthalten. Als Entgelt kommt auch ein Ausgedinge in Betracht; bis zur Höhe des Entgelts ist der Übergabsvertrag dann als entgeltlich anzusehen. Bereits die Einräumung des Ausgedinges ist als Entgelt zu werten. Bei Beurteilung der Frage, ob eine teilweise Schenkung vorliegt, kommt es vor allem auch darauf an, ob der Wert der versprochenen Leistungen in einem krassen Missverhältnis zum Übergabswert steht. Der Unterschied im Wert von Leistung und Gegenleistung reicht für sich zur Annahme einer gemischten Schenkung nicht aus, maßgeblich ist der Parteiwille. In Fällen, in denen schutzwürdige Dritter – wie etwa bei Übergabsverträgen und Vorhandensein anderer Pflichtteilsberechtigter – berührt werden, wird einem krassen Missverhältnis zwischen der Leistung des späteren Erblassers und der Gegenleistung ein besonderer Indizwert für das Vorliegen einer Schenkungsabsicht zuerkannt werden müssen. Bei der Beurteilung wie weit der Übergabsvertrag ein entgeltlicher Vertrag ist, kann nur der Wert der beiderseits erbrachten Leistungen im Zeitpunkt des Übergabsvertrages berücksichtigt werden; nachfolgende Ereignisse – insbesondere im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages tatsächlich nicht gegebene Verwertungschancen – können nicht berücksichtigt werden. Künftige Ereignisse und Entwicklungen, wie das Steigen des Verkehrswertes der übergebenen Liegenschaft oder das bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbare tatsächliche Ausmaß der Pflegebedürftigkeit des Übergebers, sind daher für die Lösung dieser Frage ohne Bedeutung. Sind bei dem Vergleich des Wertes von Gegenleistungen die Erträgnisse aus der Bewirtschaftung fremder Liegenschaften zu veranschlagen, ist die Arbeitsleistung zu berücksichtigen und nur der Pachtwert (Pachtzins) einzusetzen. Nach dem Grundsatz des Wohlbestehens kann sich der Übernehmer für die Pflichtteilsberechnung, die Schenkungsanrechnung und die Herausgabepflicht des Beschenkten (§§ 785, 786, 794 ABGB) bei der Schätzung des Hofes auf den für ihn nach höferechtlichen Grundsätzen günstigen (niedrigeren) Übernahmswert berufen. Der Wohlbestehensgrundsatz wird jedoch stets erst nach dem Ableben des Übergebers im Pflichtteilsprozess relevant und analog angewendet und nicht schon – geradezu selbstverständlich – noch zu Lebzeiten.

Rechtssatz:

Der bäuerliche Übergabsvertrag kann entgeltliche und auch unentgeltliche Elemente enthalten. Als Entgelt kommt auch ein Ausgedinge in Betracht; bis zur Höhe des Entgelts ist der Übergabsvertrag dann als entgeltlich anzusehen. Bei Beurteilung der Frage, ob eine teilweise Schenkung vorliegt, kommt es vor allem auch darauf an, ob der Wert der versprochenen Leistungen in einem krassen Missverhältnis zum Übergabswert steht, das zwar nicht ein Entgelt von weniger als der Hälfte des Wertes voraussetzt, aber dem Erblasser bewusst gewesen sein muss. Bei der Beurteilung wie weit der Übergabsvertrag ein entgeltlicher Vertrag war, kann nur der Wert der beiderseits erbrachten Leistungen im Zeitpunkt des Übergabsvertrages berücksichtigt werden; nachfolgende Ereignisse - insbesondere im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages tatsächlich nicht gegebene Verwertungschancen (vorhersehbare Verwertungsmöglichkeiten) - können nicht berücksichtigt werden. Sind bei dem Vergleich des Wertes von Gegenleistungen die Erträgnisse aus der Bewirtschaftung fremder Liegenschaften zu veranschlagen, ist die Arbeitsleistung zu berücksichtigen und nur der Pachtwert (Pachtzins) einzusetzen. Wirksamkeit einer Vereinbarung, wonach die Vorleistungen des Übernehmers zu valorisieren sind.

Gericht:
OGH
Geschäftszahl:
8Ob51/70; 6Ob126/72; 5Ob123/74; 5Ob255/75; 5Ob31/76; 1Ob768/76; 5Ob524/77; 1Ob665/78; 4Ob583/78; 7Ob529/80; 6Ob3/83; 8Ob608/88; 7Ob547/90; 3Ob527/91 (3Ob528/91); 8Ob2311/96b; 8Ob184/97k; 6Ob24/01z; 6Ob92/01z; 5Ob67/02t; 3Ob83/01d; 5Ob247/02p; 6Ob311/04k; 6Ob128/05z; 7Ob162/05g; 6Ob154/06z; 7Ob23/09x; 9Ob36/09y; 6Ob140/11y; 1Ob29/12i; 5Ob235/13i; 5Ob227/14i
Entscheidung:
10.03.1970
Norm:
ABGB §785
ABGB §938 B
ABGB §951
ABGB §1284 Aa
ABGB §1284 Ab

Entscheidungstexte


8 Ob 51/70 8 Ob 51/70 Entscheidungstext OGH 10.03.1970 8 Ob 51/70 Veröff: NZ 1971,45

6 Ob 126/72 6 Ob 126/72 Entscheidungstext OGH 06.07.1972 6 Ob 126/72 nur: Der bäuerliche Übergabsvertrag kann entgeltliche und auch unentgeltliche Elemente enthalten. Als Entgelt kommt auch ein Ausgedinge in Betracht; bis zur Höhe des Entgelts ist der Übergabsvertrag dann als entgeltlich anzusehen. Bei Beurteilung der Frage, ob eine teilweise Schenkung vorliegt, kommt es vor allem auch darauf an, ob der Wert der versprochenen Leistungen in einem krassen Missverhältnis zum Übergabswert steht, das zwar nicht ein Entgelt von weniger als der Hälfte des Wertes voraussetzt, aber dem Erblasser bewusst gewesen sein muss. (T1) Veröff: NZ 1973,189

5 Ob 123/74 5 Ob 123/74 Entscheidungstext OGH 29.05.1974 5 Ob 123/74 nur T1


5 Ob 31/76 5 Ob 31/76 Entscheidungstext OGH 25.01.1977 5 Ob 31/76 Vgl aber; Beis wie T2; Beisatz: Fehlen die für einen Übergabsvertrag charakteristischen erb- und familienrechtlichen Aspekte, kann ein Vertragstyp eigener Art vorliegen. (T3) Veröff: EvBl 977/195 S 437 = JBl 1978,381

1 Ob 768/76 1 Ob 768/76 Entscheidungstext OGH 02.03.1977 1 Ob 768/76 Vgl auch; nur T1

5 Ob 524/77 5 Ob 524/77 Entscheidungstext OGH 15.03.1977 5 Ob 524/77 Zweiter Rechtsgang zu 5 Ob 255/75

1 Ob 665/78 1 Ob 665/78 Entscheidungstext OGH 07.07.1978 1 Ob 665/78 Vgl auch; nur T1

4 Ob 583/78 4 Ob 583/78 Entscheidungstext OGH 29.05.1979 4 Ob 583/78 nur: Bei der Beurteilung wie weit der Übergabsvertrag ein entgeltlicher Vertrag war, kann nur der Wert der beiderseits erbrachten Leistungen im Zeitpunkt des Übergabsvertrages berücksichtigt werden. (T4)


6 Ob 3/83 6 Ob 3/83 Entscheidungstext OGH 29.03.1984 6 Ob 3/83 Vgl auch; nur T1; nur T4; Beisatz: In Fällen, in denen schutzwürdige Dritter - wie etwa bei Übergabsverträgen und Vorhandensein anderer Pflichtteilsberechtigter - berührt werden, wird einem vorliegenden krassen Missverhältnis zwischen der Leistung des späteren Erblassers und der Gegenleistung ein besonderer Indizwert für das Vorliegen einer Schenkungsabsicht zuerkannt werden müssen. (T5)