Rechtsprechung

RS0120784

Hat der geschädigte Kläger infolge pflichtwidriger Anlageberatung nicht die gewünschten risikolosen, sondern risikoträchtige Wertpapiere erworben, so ergibt sich sein Schaden nach dem Verkauf der Wertpapiere aus der Gegenüberstellung des Erwerbspreises zuzüglich der Erwerbskosten und des Veräußerungspreises. Die Entwicklung einer hypothetischen vom Anleger gewählten Alternativveranlagung (zumindest die „Anlageart“) ist zu berücksichtigen und vom Anleger nachzuweisen. Allerdings sind an diesen Beweis keine strengen Anforderungen zu stellen, es genügt die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“. Hat der Anleger die Wertpapiere nicht verkauft, so kann grundsätzlich ein Begehren auf Naturalrestitution erheben, bei dem er den Kaufpreis (abzüglich der erhaltenen Zinszahlungen) Zug um Zug gegen Rückgabe der Wertpapiere zurückerhält. Ein Feststellungsbegehren ist nur in Ausnahmefällen zulässig, so etwa bei besonders komplexen Anlagemodellen oder wenn der Kläger darlegt, weshalb ihm eine Leistungsklage im konkreten Fall nicht zumutbar ist oder dass ihm zukünftig noch weitere derzeit nicht bekannte Schäden erwachsen können.

Rechtssatz:

Hat der geschädigte Kläger infolge pflichtwidriger Anlageberatung nicht die gewünschten risikolosen, sondern risikoträchtige Wertpapiere erworben, so ergibt sich der dem Geschädigten nach der Differenzmethode zu ermittelnde Schaden nicht aus einer Gegenüberstellung des aufgewendeten Veranlagungsbetrages zu den Kurswerten der vom geschädigten Kläger nach wie vor gehaltenen Papiere zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung, da die Wertpapiere mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zukünftigen Kursschwankungen unterliegen. Mangels Bezifferbarkeit des dem Kläger endgültig entstandenen Schadens zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz ist eine auf Geldleistung gerichtete Schadenersatzklage nicht möglich. Der Kläger ist - soferne er nicht entweder versucht, Naturalrestitution zu erlangen oder die Papiere verkauft - auf einen Feststellungsanspruch zu verweisen. Erst nach einem Verkauf der Wertpapiere kann der Geschädigte daher einen Geldersatzanspruch stellen, weil sich dann - durch Gegenüberstellung des Erwerbspreises zuzüglich der Erwerbskosten und des Veräußerungspreises - der rechnerische Schaden endgültig beziffern lässt.

Gericht:
OGH
Geschäftszahl:
8Ob123/05d; 7Ob176/06t; 10Ob11/07a; 1Ob187/08v; 1Ob232/08m; 4Ob28/10m; 9Ob85/09d; 2Ob14/10p; 4Ob65/10b; 8Ob6/10f; 5Ob246/10b; 6Ob91/10s; 7Ob77/10i; 8Ob132/10k; 4Ob62/11p; 4Ob200/10f; 5Ob18/11z; 6Ob9/11h; 4Ob70/11i; 8Ob135/10a; 7Ob8/12w; 1Ob85/11y; 8Ob129/10v; 6Ob28/12d; 1Ob208/11m; 1Ob251/11k; 4Ob174/11h; 3Ob49/12w; 4Ob19/12s; 4Ob67/12z; 1Ob51/12z; 4Ob140/12k; 8Ob39/12m; 1Ob219/12f; 7Ob9/13v; 3Ob230/12p; 7Ob5/12d; 4Ob212/12y; 10Ob7/12w; 1Ob12/13s; 10Ob58/12w; 10Ob56/12a; 3Ob231/12k; 7Ob178/11v; 2Ob241/12y; 2Ob248/12b; 2Ob250/12x; 8Ob66/12g; 4Ob234/12h; 6Ob53/13g; 9Ob44/13f; 2Ob24/13p; 9Ob43/13h; 7Ob198/13p; 4Ob135/13a; 2Ob17/13h; 1Ob104/14x; 6Ob86/14m; 8Ob66/14k; 1Ob169/14f; 6Ob172/14h; 6Ob192/14z; 6Ob7/15w; 3Ob44/15i; 1Ob103/15a; 6Ob153/15s; 3Ob112/15i; 5Ob133/15t; 1Ob21/16v; 4Ob214/16y; 7Ob188/16x; 10Ob70/15i; 2Ob99/16x; 8Ob109/16m; 8Ob79/16z; 9Ob70/16h; 7Ob95/17x; 6Ob171/17s; 6Ob241/17k; 1Ob208/17w; 9Ob81/17b; 6Ob97/18k; 4Ob59/18g; 7Ob196/17z; 4Ob208/21y; 2Ob198/21p; 10Ob17/24h
Entscheidung:
14.05.2024
Norm:
ABGB §1323 A
ABGB §1323 D
ZPO §228 A1
ZPO §228 B1 ABGB § 1323 heute ABGB § 1323 gültig ab 01.01.1812 ABGB § 1323 heute ABGB § 1323 gültig ab 01.01.1812 ZPO § 228 heute ZPO § 228 gültig ab 01.01.1898 ZPO § 228 heute ZPO § 228 gültig ab 01.01.1898

Entscheidungstexte
































































6 Ob 7/15w 6 Ob 7/15w Entscheidungstext OGH 19.02.2015 6 Ob 7/15w Auch; Beis wie T3; Beis wie T7; Beis wie T12; Beis wie T22; Beisatz: Der Zweck der Beschränkung des Schadenersatzanspruchs auf die Naturalrestitution, wenn der Anleger die Papiere behält, nämlich ein Spekulieren auf dem Rücken der beklagten Partei zu verhindern, steht einem beliebigen Wechsel zwischen einem Begehren auf Ersatz des Differenzschadens und einem solchen auf Naturalrestitution entgegen. Der Anleger muss sich vielmehr entscheiden, ob er die Wertpapiere behalten will. Diesfalls steht ihm nur der Anspruch auf Naturalrestitution zu. Veräußert er hingegen die Papiere, so kann er den Differenzanspruch begehren. Dabei handelt es sich um einen Anwendungsfall der konkreten Schadensberechnung, der nicht durch Rückgriff auf hypothetisch erzielbare Kurserlöse zu fiktiven Zeitpunkten ersetzt werden kann. (T36) Beisatz. Der Kläger hat sich für eine der beiden Berechnungsmethoden zu entscheiden und die tatsächlichen Voraussetzungen für deren Anwendbarkeit zu beweisen. (T37) Beisatz: Daher kann bei Anlegerschäden ‑ anders als in anderen Fällen der Rückabwicklung ‑ das Gericht auch nicht etwa statt eines erhobenen Begehrens auf Ersatz des Differenzschadens als Minus eine Zahlungspflicht Zug um Zug gegen Rückgabe der Wertpapiere auferlegen. (T38) Beisatz: Durch die schadenersatzrechtliche Naturalrestitution wird eine Vertragsaufhebung nachgebildet. In der Erhebung eines Anspruchs auf Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der erworbenen Wertpapiere liegt auch das Begehren, in die Vertragsaufhebung einzuwilligen. (T39)