Um behaupten zu können, Opfer einer Konventionsverletzung zu sein, muss eine Person von der angefochtenen Maßnahme unmittelbar betroffen sein. Es steht einer Person jedoch frei zu behaupten, dass ein Gesetz auch ohne individuellen Umsetzungsakt ihre Rechte verletzt, wenn sie etwa Mitglied einer Kategorie von Personen ist, die Gefahr laufen, von der Gesetzgebung unmittelbar betroffen zu werden. Ein auf das Finanz- und Geldwesen spezialisierter Rechtsanwalt, der durch Regelungen, wonach Rechtsanwälte im Zusammenhang mit ihren beruflichen Aktivitäten über allfällige Verdachtsmomente betreffend Geldwäsche berichten müssen, stellt einen Eingriff in das anwaltliche Berufsgeheimnis dar und erfüllt daher potentiell diese Opfereigenschaft in Hinblick auf Art 8 EMRK. Eine andere Frage ist jedoch, ob der entsprechende Eingriff verhältnismäßig ist oder nicht. In der Rechtssache Michaud gg. Frankreich, Urteil vom 6.12.2012, Bsw. 12323/11 erblickte der EGMR in der strittigen Verpflichtung zur Berichterstattung beim Verdacht der Geldwäsche keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das anwaltliche Berufsgeheimnis und somit keine Verletzung von Art 8 EMRK.