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RECHTSPRECHUNG


RS0026473


Ein ärztlicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist nur insoweit vertragsmäßig und nicht rechtswidrig, als die Einwilligung des Patienten reicht. Der Arzt muss sich vor jedem Eingriff der klaren, auf zutreffenden Vorstellungen über die Art und Folgen des Eingriffs beruhenden Einwilligung des Patienten versichern. Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt voraus, dass dieser das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des ärztlichen Eingriffs in seinen Grundzügen erkannt hat. Dabei ist nicht der innere Wille, sondern der erklärte Wille des Patienten maßgebend. Maß und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten wird mitbestimmt von dem Grad der Gefährlichkeit des Eingriffs in die körperliche Integrität. Der Arzt hat die Verpflichtung, die Entschließungsfreiheit des Patienten über einen Eingriff grundsätzlich zu achten. Soweit die mit der Einholung der Einwilligung verbundene Aufklärung – auch über mögliche schädliche Folgen der Therapie – die Stimmung oder sogar das Allgemeinbefinden herabdrückt, handelt es sich um unvermeidbare Nachteile, die in Kauf genommen werden müssen. Die Aufklärungspflicht des Arztes über mögliche schädliche Folgen der Therapie gehört gerade mit zum ärztlichen Beruf, der die Persönlichkeit und die körperliche Integrität nicht außer acht lassen darf. Diese Grundsätze gelten auch bei psychisch Kranken. Die Aufklärungspflicht, die den Ärzten hinsichtlich der Therapie obliegt, ist keine rein ärztliche, der Weisungspflicht entzogene Angelegenheit. Dem Vorstand eines Krankenhauses obliegt daher insoweit eine Leitung und Aufsichtspflicht, für deren Verletzung der Unternehmer einzustehen hat. Eine ohne angemessene ärztliche Aufklärung und ohne Einwilligung vorgenommene Elektroschockbehandlung ist nach den in der Literatur erkennbaren Angaben, vor allem im Hinblick auf die unterschiedliche Beurteilung ihrer Folgen nicht als harmloser Eingriff anzusehen, sondern widerrechtlich.


Rechtssatz:

Ein ärztlicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist nur insoweit vertragsmäßig und nicht rechtswidrig, als die Einwilligung des Patienten reicht. Der Arzt muss sich vor jedem Eingriff der klaren, auf zutreffenden Vorstellungen über die Art und Folgen des Eingriffs beruhenden Einwilligung des Patienten versichern. Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt voraus, dass dieser das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des ärztlichen Eingriffs in seinen Grundzügen erkannt hat. Dabei ist nicht der innere Wille, sondern der erklärte Wille des Patienten maßgebend. Maß und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten wird mitbestimmt von dem Grad der Gefährlichkeit des Eingriffs in die körperliche Integrität. Der Arzt hat die Verpflichtung, die Entschließungsfreiheit des Patienten über einen Eingriff grundsätzlich zu achten. Soweit die mit der Einholung der Einwilligung verbundene Aufklärung - auch über mögliche schädliche Folgen der Therapie - die Stimmung oder sogar das Allgemeinbefinden herabdrückt, handelt es sich um unvermeidbare Nachteile, die in Kauf genommen werden müssen. Die Aufklärungspflicht des Arztes über mögliche schädliche Folgen der Therapie gehört gerade mit zum ärztlichen Beruf, der die Persönlichkeit und die körperliche Integrität nicht außer acht lassen darf. Diese Grundsätze gelten auch bei psychisch Kranken. Die Aufklärungspflicht, die den Ärzten hinsichtlich der Therapie obliegt, ist keine rein ärztliche, der Weisungspflicht entzogene Angelegenheit. Dem Vorstand eines Krankenhauses obliegt daher insoweit eine Leitung und Aufsichtspflicht, für deren Verletzung der Unternehmer einzustehen hat. Eine ohne angemessene ärztliche Aufklärung und ohne Einwilligung vorgenommene Elektroschockbehandlung ist nach den in der Literatur erkennbaren Angaben, vor allem im Hinblick auf die unterschiedliche Beurteilung ihrer Folgen nicht als harmloser Eingriff anzusehen, sondern widerrechtlich.BGH vom 10.07.1954, VI ZR 45/54; Veröff: NJW 1956,1106; hiezu Neidhardt, Behandlungsrecht des Arztes und ärztliche Aufklärungspflicht in der Sicht des Arztes und des Juristen. NJW 1956,1097

Gericht:
OGH

Geschäftszahl:
8Ob535/89; 1Ob651/90; 8Ob620/91; 7Ob233/00s; 7Ob129/06f; 4Ob87/08k; 5Ob290/08w; 5Ob9/11a; 1Ob9/11x; 7Ob228/11x; 9Ob52/12f; 4Ob241/12p; 6Ob214/14k; 9Ob49/17x; 4Ob115/18t

Schlagworte:

Entscheidung:
21.09.1989

Norm:
ABGB §1299 B

Kategorie:


WEITERE INFORMATIONEN

Entscheidungstexte


8 Ob 535/89 8 Ob 535/89 Entscheidungstext OGH 21.09.1989 8 Ob 535/89 Auch; nur: Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt voraus, dass dieser das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des ärztlichen Eingriffs in seinen Grundzügen erkannt hat. (T1) Veröff: SZ 62/154 = JBl 1990,459 = VersR 1990,879
1 Ob 651/90 1 Ob 651/90 Entscheidungstext OGH 12.09.1990 1 Ob 651/90 Auch; Veröff: JBl 1991,455
8 Ob 620/91 8 Ob 620/91 Entscheidungstext OGH 18.10.1991 8 Ob 620/91 Auch; nur T1
7 Ob 233/00s 7 Ob 233/00s Entscheidungstext OGH 28.02.2001 7 Ob 233/00s Auch; nur T1
7 Ob 129/06f 7 Ob 129/06f Entscheidungstext OGH 21.06.2006 7 Ob 129/06f nur: Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt voraus, dass dieser das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des ärztlichen Eingriffs in seinen Grundzügen erkannt hat. Dabei ist nicht der innere Wille, sondern der erklärte Wille des Patienten maßgebend. (T2)
4 Ob 87/08k 4 Ob 87/08k Entscheidungstext OGH 10.06.2008 4 Ob 87/08k nur T1; Veröff: SZ 2008/82
5 Ob 290/08w 5 Ob 290/08w Entscheidungstext OGH 27.01.2009 5 Ob 290/08w Vgl; Beisatz: Entscheidend für den Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht ist, dass der Patient als Aufklärungsadressat die für seine Entscheidung maßgebenden Kriterien erfährt, die ihn in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Zustimmung zum Eingriff zu überblicken. (T3); Beisatz: Nach dem Zweck der Aufklärungspflicht versteht sich von selbst, dass sie auch die Darstellung der Schwere des Risikos umfasst, was gleichbedeutend ist mit einer Darstellung der Art der Gesundheitsbeeinträchtigung, die aus dem verwirklichten Risiko resultieren kann. (T4)
5 Ob 9/11a 5 Ob 9/11a Entscheidungstext OGH 09.02.2011 5 Ob 9/11a Vgl auch; nur T1; Beis wie T3
1 Ob 9/11x 1 Ob 9/11x Entscheidungstext OGH 31.03.2011 1 Ob 9/11x Auch; nur T1; Beis wie T3
7 Ob 228/11x 7 Ob 228/11x Entscheidungstext OGH 25.01.2012 7 Ob 228/11x Auch; Beisatz: Wollte man nicht nur die Aufklärung über typische Operationsrisiken, deren Wahrscheinlichkeit nur bei 0,05 % bis 0,1 % liegt, verlangen, sondern jeweils auch Hinweise auf typische Komplikationen bei Verwirklichung solcher Risiken fordern, würde dies die Aufklärungspflicht in unvertretbarer Weise ausdehnen. Den Patienten müsste oftmals eine derartige Fülle von Informationen gegeben werden, dass ihnen eine Einschätzung der Lage nicht ermöglicht, sondern erschwert würde. (T5)
9 Ob 52/12f 9 Ob 52/12f Entscheidungstext OGH 17.12.2012 9 Ob 52/12f Vgl auch; Beisatz: Hier: Aufklärungspflicht hinsichtlich prophylaktischer Maßnahmen zur Vermeidung oder Senkung eines Operationsrisikos. (T6)
4 Ob 241/12p 4 Ob 241/12p Entscheidungstext OGH 12.02.2013 4 Ob 241/12p Vgl; Beis wie T3
6 Ob 214/14k 6 Ob 214/14k Entscheidungstext OGH 29.01.2015 6 Ob 214/14k Auch; Beis wie T3
9 Ob 49/17x 9 Ob 49/17x Entscheidungstext OGH 27.09.2017 9 Ob 49/17x Vgl auch; Beisatz: Hier: Nichtarzt. (T7)
4 Ob 115/18t 4 Ob 115/18t Entscheidungstext OGH 11.06.2018 4 Ob 115/18t Auch; Beisatz: Hier: Tätowierung. (T8)