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RECHTSPRECHUNG


RS0026581


Auf typische Risiken einer Operation ist ganz unabhängig von der prozentmäßigen statistischen Wahrscheinlichkeit, also auch bei einer allfälligen Seltenheit ihres Eintrittes, hinzuweisen. Der Patient muss unterrichtet werden, dass dieses Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist. Insoweit ist die Aufklärungspflicht bei Vorliegen einer typischen Gefahr verschärft. Auch dann, wenn der Eintritt einer Komplikation sehr selten und die negative Folge erheblich ist. Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht über 3%iges Risiko von Lähmungserscheinungen wurde bei einer nicht zwingend notwendigen Operation bejaht. Ebenso bei einem 0,32%-igen Risiko einer Darmperforation bei einer Darmspiegelung verbunden mit einer Polypenentfernung. Bei einer nicht dringend gebotenen Operation ist auch über Risken aufzuklären, die nur im Falle einer körperlichen Anomalie eintreten können und zwar selbst dann wenn die Anomalie weder präoperativ noch während der Operation rechtzeitig erkannt werden kann. Umfang und Zeitpunkt einer Aufklärung über allenfalls notwendige Folgebehandlungen im Fall der Verwirklichung eines schwerwiegenden Risikos hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Jedenfalls werden in diesem Zusammenhang die Intensität einer Gesundheitsbeeinträchtigung, die Schwere eines allfällig notwendigen Eingriffs und seine möglichen Folgen sowie auch die Frage der Notwendigkeit des Ersteingriffs von Bedeutung sein. Ist nicht zu erwarten, dass die zusätzliche Information für die Entscheidungsfindung des Patienten von Relevanz sein kann, ist eine gesonderte Aufklärung darüber nicht zu fordern (vgl auch jeweils sämtliche TS des RS).


Rechtssatz:

Auf typische Risiken einer Operation ist aber ganz unabhängig von der prozentmäßigen statistischen Wahrscheinlichkeit, also auch bei einer allfälligen Seltenheit ihres Eintrittes, hinzuweisen (siehe SZ 57/207, 3 Ob 645/86).

Gericht:
OGH

Geschäftszahl:
1Ob532/94; 2Ob505/96; 10Ob1530/96; 4Ob1690/95; 4Ob505/96; 10Ob2350/96b; 6Ob318/00h; 7Ob233/00s; 7Ob321/00g; 8Ob103/01g; 9Ob30/03g; 7Ob299/03a; 4Ob132/06z; 6Ob240/06x; 7Ob21/07z; 9Ob12/07s; 5Ob290/08w; 6Ob122/07w; 8Ob113/09i; 4Ob212/09v; 8Ob115/09h; 3Ob101/10i; 7Ob46/11g; 7Ob228/11x; 10Ob40/15b; 3Ob138/16i

Schlagworte:

Entscheidung:
25.01.1994

Norm:
ABGB §1299 B

Kategorie:


WEITERE INFORMATIONEN

Entscheidungstexte


1 Ob 532/94 1 Ob 532/94 Entscheidungstext OGH 25.01.1994 1 Ob 532/94 Veröff: SZ 67/9
2 Ob 505/96 2 Ob 505/96 Entscheidungstext OGH 11.01.1996 2 Ob 505/96
10 Ob 1530/96 10 Ob 1530/96 Entscheidungstext OGH 12.03.1996 10 Ob 1530/96 Beisatz: Der Patient muss unterrichtet werden, dass dieses Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist. (T1)
4 Ob 1690/95 4 Ob 1690/95 Entscheidungstext OGH 16.01.1996 4 Ob 1690/95
4 Ob 505/96 4 Ob 505/96 Entscheidungstext OGH 30.01.1996 4 Ob 505/96 Beisatz: Insoweit ist die Aufklärungspflicht bei Vorliegen einer typischen Gefahr verschärft. (T2)
10 Ob 2350/96b 10 Ob 2350/96b Entscheidungstext OGH 03.09.1996 10 Ob 2350/96b Beis wie T1; Beis wie T2; Beisatz: Bei Nichtaufklärung über das dem geplanten Eingriff speziell anhaftende Risiko wäre der nicht informierte Patient überrascht, weil er mit dieser Folge überhaupt nicht rechnet (Hier: Operation eines Rückenmarktumors). (T3) Veröff: SZ 69/199
6 Ob 318/00h 6 Ob 318/00h Entscheidungstext OGH 17.01.2001 6 Ob 318/00h Beisatz: Auch dann, wenn der Eintritt einer Komplikation sehr selten und die negative Folge erheblich ist. (T4) Beisatz: Der Patient soll nicht von der einer Operation anhaftenden, auch bei Anwendung der allergrößten Sorgfalt nicht mit Sicherheit vermeidbaren typischen, wenn auch selten auftretenden Eingriffsfolge überrascht werden. (T5)
7 Ob 233/00s 7 Ob 233/00s Entscheidungstext OGH 28.02.2001 7 Ob 233/00s Beis wie T2
7 Ob 321/00g 7 Ob 321/00g Entscheidungstext OGH 17.05.2001 7 Ob 321/00g
8 Ob 103/01g 8 Ob 103/01g Entscheidungstext OGH 10.05.2001 8 Ob 103/01g Vgl auch; Beisatz: Allerdings ist auch hier zu fordern, dass es sich bei diesen typischen Risken, um erhebliche Risken handelt, die geeignet sind, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen, ohne dass dabei nur auf die Häufigkeit der Verwirklichung dieses Risikos abzustellen wäre. (T6) Beisatz: Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht bei einer nicht zwingend notwendigen Operation über 3%iges Risiko von Lähmungserscheinungen. (T7)
9 Ob 30/03g 9 Ob 30/03g Entscheidungstext OGH 27.08.2003 9 Ob 30/03g
7 Ob 299/03a 7 Ob 299/03a Entscheidungstext OGH 17.12.2003 7 Ob 299/03a Ähnlich; Beis wie T1; Beis wie T2; Beis wie T5
4 Ob 132/06z 4 Ob 132/06z Entscheidungstext OGH 28.09.2006 4 Ob 132/06z Beis wie T2; Beis wie T6; Beisatz: Hier: 0,32%-iges Risiko einer Darmperforation bei einer Darmspiegelung verbunden mit einer Polypenentfernung, Verletzung der Aufklärungspflicht . (T8)
6 Ob 240/06x 6 Ob 240/06x Entscheidungstext OGH 21.12.2006 6 Ob 240/06x
7 Ob 21/07z 7 Ob 21/07z Entscheidungstext OGH 28.03.2007 7 Ob 21/07z Auch; Beisatz: Hier: Verletzung der Aufklärungspflicht des Arztes über Risken, die nur im Falle einer körperlichen Anomalie eintreten und die Anomalie weder präoperativ noch während der Operation rechtzeitig erkannt werden kann, bejaht, da die Operation nicht dringend geboten war. (T9)
9 Ob 12/07s 9 Ob 12/07s Entscheidungstext OGH 28.09.2007 9 Ob 12/07s Vgl auch
5 Ob 290/08w 5 Ob 290/08w Entscheidungstext OGH 27.01.2009 5 Ob 290/08w Vgl; Beis wie T2; Beis wie T6; Beisatz: Wann und in welchem Umfang schon vor Inangriffnahme der Heilbehandlung eine Aufklärung über Art und Umfang einer allenfalls notwendigen Folgebehandlung im Fall der Verwirklichung eines schwerwiegenden Risikos erfolgen muss, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Jedenfalls werden in diesem Zusammenhang die Intensität einer Gesundheitsbeeinträchtigung, die Schwere eines allfällig notwendigen Eingriffs und seine möglichen Folgen sowie auch die Frage der Notwendigkeit des Ersteingriffs von Bedeutung sein. (T10) Beisatz: Diese für eine besondere Aufklärungspflicht sprechenden Voraussetzungen treffen auf die jedem operativen Eingriff anhaftende Gefahr einer Wundinfektion, die auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung des Eingriffs nicht sicher zu vermeiden ist, nicht zu. Hat der behandelnde Arzt über diese typische Gefahr aufgeklärt, bedarf es einer konkreten Aufklärung über die Behandlungsmöglichkeiten einer Wundinfektion nicht. (T11) Beisatz: Wurde der Patient auf typische Risken einer Operation hingewiesen, ist für ihn ausreichend erkennbar, dass sich bei Verwirklichung eines solchen Risikos die Heilungsdauer verlängern werde. (T12)
6 Ob 122/07w 6 Ob 122/07w Entscheidungstext OGH 27.02.2009 6 Ob 122/07w Auch; Beis wie T5; Beis wie T6; Beisatz: Hier: Brustvergrößerung aus kosmetischen Gründen. (T13)
8 Ob 113/09i 8 Ob 113/09i Entscheidungstext OGH 29.09.2009 8 Ob 113/09i Auch; Beisatz: Gerade über typische mit einer Operation verbundene Gefahren ist aufzuklären, auch wenn diese nicht häufig, aber speziell mit dem geplanten Eingriff verbunden sind. Auch insoweit besteht aber eine Aufklärungspflicht natürlich nur, soweit diese Risken erheblich und geeignet sind, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen. (T14) Beisatz: Eine Haftungseinschränkung dahin, dass die Komplikationen am gleichen Körperteil auftreten müssten, an dem die Operation durchgeführt wird, besteht nicht. (T15) Beisatz: Hier: Komplikationen nach Lloyd-Davis-Lagerung während einer Darmoperation. (T16) Beisatz: Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar. (T17)
4 Ob 212/09v 4 Ob 212/09v Entscheidungstext OGH 19.01.2010 4 Ob 212/09v
8 Ob 115/09h 8 Ob 115/09h Entscheidungstext OGH 23.03.2010 8 Ob 115/09h Auch; Beis wie T14
3 Ob 101/10i 3 Ob 101/10i Entscheidungstext OGH 30.06.2010 3 Ob 101/10i
7 Ob 46/11g 7 Ob 46/11g Entscheidungstext OGH 27.04.2011 7 Ob 46/11g Auch
7 Ob 228/11x 7 Ob 228/11x Entscheidungstext OGH 25.01.2012 7 Ob 228/11x Vgl auch; Beisatz: Wollte man nicht nur die Aufklärung über typische Operationsrisiken, deren Wahrscheinlichkeit nur bei 0,05 % bis 0,1 % liegt, verlangen, sondern jeweils auch Hinweise auf typische Komplikationen bei Verwirklichung solcher Risiken fordern, würde dies die Aufklärungspflicht in unvertretbarer Weise ausdehnen. Den Patienten müsste oftmals eine derartige Fülle von Informationen gegeben werden, dass ihnen eine Einschätzung der Lage nicht ermöglicht, sondern erschwert würde. (T18)
10 Ob 40/15b 10 Ob 40/15b Entscheidungstext OGH 30.06.2015 10 Ob 40/15b Vgl auch; Beis wie T2; Beis wie T6
3 Ob 138/16i 3 Ob 138/16i Entscheidungstext OGH 22.09.2016 3 Ob 138/16i Auch; Beis wie T2; Beis wie T6; Beisatz: Ist nicht zu erwarten, dass die zusätzliche Information für die Entscheidungsfindung des Patienten von Relevanz sein kann, ist eine gesonderte Aufklärung darüber nicht zu fordern. (T19)