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RECHTSPRECHUNG


RS0044121


Für die Frage, ob eine Haftung nach § 1300 ABGB erster Satz („gegen Belohnung“) oder nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung (Haftung nur bei wissentlich falscher Auskunft) in Betracht kommt, ist nicht das Verlangen eines Entgelts wesentlich, sondern ob der Rat selbstlos erfolgte. § 1300 zweiter Satz gilt nur für Auskunfte, die rein aus Gefälligkeit gegeben werden. Eine Haftung besteht daher immer dann, wenn der Rat oder die Auskunft im Rahmen eines Verpflichtungsverhältnisses erteilt wird. Die Beratung erfolgt nicht „selbstlos“, wenn sie der Vorbereitung eines entgeltlichen Geschäfts dient. Bei der Beurteilung der Haftung kommt es nicht darauf an, ob ein Vertrag oder ein vorvertragliches Schuldverhältnis vorliegt. Entscheidend ist das Verhältnis zum jeweiligen Empfänger der Auskunft: Auch jemand, der andere in seinem Fach gewerbsmäßig entgeltlich zu beraten pflegt, kann im Einzelfall einen selbstlosen Rat im Sinn des zweiten Satzes des § 1300 ABGB an Personen erteilen, zu denen er in keiner rechtlichen Sonderbeziehung steht.


Rechtssatz:

Für die Frage, ob eine Haftung nach § 1300 ABGB erster Satz ("gegen Belohnung") oder nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung in Betracht kommt, ist nicht das Verlangen eines Entgelts wesentlich, sondern ob der Rat selbstlos erfolgte (siehe SZ 54/41; JBl 1991,249; RdW 1991,232).

Gericht:
OGH

Geschäftszahl:
1Ob44/94; 1Ob367/97w; 7Ob257/98i; 2Ob187/99k; 4Ob252/00p; 8Ob246/01m; 4Ob13/04x; 6Ob110/07f; 4Ob169/08v; 9Ob49/09k; 4Ob137/10s; 8Ob127/10z; 9Ob76/10g; 7Ob185/11y; 1Ob241/14v; 4Ob249/14t

Schlagworte:

Entscheidung:
27.03.1995

Norm:
ABGB §1300 D

Kategorie:


WEITERE INFORMATIONEN

Entscheidungstexte


1 Ob 44/94 1 Ob 44/94 Entscheidungstext OGH 27.03.1995 1 Ob 44/94 Veröff: SZ 68/60
1 Ob 367/97w 1 Ob 367/97w Entscheidungstext OGH 28.04.1998 1 Ob 367/97w Auch; Beisatz: Die Worte "gegen Belohnung" in § 1300 erster Satz ABGB stellen klar, dass (nur) Gefälligkeitsäußerungen keine Haftung begründen können. Eine Haftung besteht daher immer dann, wenn der Rat oder die Auskunft im Rahmen eines Verpflichtungsverhältnisses erteilt wird; Entgeltlichkeit ist nicht erforderlich; entscheidend ist vielmehr, ob der Rat selbstlos erfolgte. Die Beratung erfolgt nicht "selbstlos", wenn sie der Vorbereitung eines entgeltlichen Geschäfts dient. (T1)
7 Ob 257/98i 7 Ob 257/98i Entscheidungstext OGH 28.05.1999 7 Ob 257/98i Vgl auch; Beisatz: Hier: Informationsbroschüre der Landwirtschaftskammer. (T2)
2 Ob 187/99k 2 Ob 187/99k Entscheidungstext OGH 01.07.1999 2 Ob 187/99k Auch; Beis wie T1; Beisatz: Bei der Beurteilung der Haftung nach § 1300 Satz 1 ABGB kommt es nicht darauf an, ob ein Vertrag oder ein vorvertragliches Schuldverhältnis vorliegt. (T3)
4 Ob 252/00p 4 Ob 252/00p Entscheidungstext OGH 14.11.2000 4 Ob 252/00p Vgl; Beis wie T1 nur: Eine Haftung besteht daher immer dann, wenn der Rat oder die Auskunft im Rahmen eines Verpflichtungsverhältnisses erteilt wird. (T4)
8 Ob 246/01m 8 Ob 246/01m Entscheidungstext OGH 28.03.2002 8 Ob 246/01m Beis wie T3 nur: Bei der Beurteilung der Haftung nach § 1300 Satz 1 ABGB kommt es nicht darauf an, ob ein Vertrag vorliegt. (T5); Beisatz: Der Rat einer Bank erfolgt nicht selbstlos, wenn sie aufgrund dieses Rates für eine Forderung Tilgung erlangt. Die den Rat/Auskunft nicht selbstlos erteilende Bank haftet auch bei Fahrlässigkeit. (T6)
4 Ob 13/04x 4 Ob 13/04x Entscheidungstext OGH 16.03.2004 4 Ob 13/04x Auch; Beisatz: Diese auch auf die Auskunftserteilung von Banken erstreckte Haftung tritt nicht nur im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung, sondern bereits bei der erstmaligen Auskunftserteilung ein, sofern diese nicht selbstlos erfolgte. (T7)
6 Ob 110/07f 6 Ob 110/07f Entscheidungstext OGH 07.11.2007 6 Ob 110/07f Auch
4 Ob 169/08v 4 Ob 169/08v Entscheidungstext OGH 14.10.2008 4 Ob 169/08v Auch; Beisatz: Die Haftung für fahrlässiges Verhalten nach § 1300 Satz 1 ABGB ist ausgeschlossen, wenn der Rat oder die Auskunft selbstlos, dh aus Gefälligkeit, erteilt wurde. (T8)
9 Ob 49/09k 9 Ob 49/09k Entscheidungstext OGH 30.06.2010 9 Ob 49/09k Auch; Beis wie T5; Beisatz: „gegen Belohnung“ in § 1300 Satz 1 ABGB ist dahin zu verstehen, dass der Rat nicht selbstlos erfolgte; eine solche Haftung tritt also auch dann ein, wenn keine vertragliche Beziehung zwischen den Streitteilen besteht. Entscheidend ist nur, dass der - wenn auch bloß einmalige - Rat nicht selbstlos erfolgte (T9); Beisatz: Hier: Keine selbstlose Raterteilung im hier vorliegenden Fall der drohenden Geltendmachung eines Schadersatzanspruchs, in dem vom Hausverwalter eine bestimmte (irrtümlich allerdings unrichtige) Auskunft gegeben wurde, um die Anspruchsverfolgung gegen die Beklagte abzuwenden und die Aufmerksamkeit der geschädigten Klägerin auf eine vom Hausverwalter benannte Dritte, die angeblich für die Streuung des Parkplatzes zuständig gewesen sei, zu lenken. (T10)
4 Ob 137/10s 4 Ob 137/10s Entscheidungstext OGH 31.08.2010 4 Ob 137/10s Vgl; Beis wie T8; Beisatz: Hier: Selbständiger Vermittler von besonders günstigen Verträgen über den Erwerb von fabriksneuen Kraftfahrzeugen. (T11)
8 Ob 127/10z 8 Ob 127/10z Entscheidungstext OGH 22.02.2011 8 Ob 127/10z Auch; Beis ähnlich wie T3; Beis wie T8
9 Ob 76/10g 9 Ob 76/10g Entscheidungstext OGH 24.11.2010 9 Ob 76/10g Auch; Beis wie T8
7 Ob 185/11y 7 Ob 185/11y Entscheidungstext OGH 19.04.2012 7 Ob 185/11y Beisatz: Hier: Keine Haftung für ein im Prozess erstattetes Bestreitungsvorbringen, das der Kläger zum Anlass nimmt, ein weiteres Verfahren gegen einen Dritten einzuleiten. (T12)
1 Ob 241/14v 1 Ob 241/14v Entscheidungstext OGH 22.01.2015 1 Ob 241/14v Vgl; Beisatz: Auch die dem Kläger durch die späteren Investitionen entstandenen Nachteile, die auf dem unrichtigen Rat der Beklagten beruhten, sind vom Schutzzweck des Vertrags erfasst. (T13)
4 Ob 249/14t 4 Ob 249/14t Entscheidungstext OGH 17.02.2015 4 Ob 249/14t Beis wie T9; Beisatz: Die von der Rechtsprechung geforderte „Sonderbeziehung“ zwischen den Beteiligten wird also auch dadurch begründet, dass der Rat „gegen Belohnung“ erteilt wird. (T14)