RECHTSPRECHUNG
RS0119323
Klauselkontrolle bei der Auftragsvergabe: Bei der Vergabe von Aufträgen mit vorformuliertem Klauselkatalog, mit dem den Bietern der Vertragsinhalt – zumindest weitgehend – vorgegeben wird, kommen die Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zur Anwendung, sodass gem § 879 Abs 3 ABGB Nebenbestimmungen unwirksam sind, die eine Partei in unsachlicher Weise gröblich benachteiligen. Beispiel: Die Klauseln sehen vor, dass der Auftragnehmer auf Reklamationen binnen 14 Tagen reagieren muss, widrigenfalls sie als anerkannt gelten.
- Rechtssatz:
Bei der Vergabe von Aufträgen mit vorformuliertem Klauselkatalog, mit dem den Bietern der Vertragsinhalt - zumindest weitgehend - vorgegeben wird, liegt jene typische Ungleichgewichtslage vor, wie sie der Verwendung von AGB zueigen ist, sodass es geboten erscheint, § 879 Abs 3 ABGB auch in solchen Fällen zur Beurteilung der Unwirksamkeit von Klauseln wegen gröblicher Benachteiligung im Wege der Analogie heranzuziehen.
- Gericht:
- OGH
- Geschäftszahl:
- 1Ob144/04i; 10Ob54/04w; 3Ob122/05w; 8Ob164/08p
- Schlagworte:
- Angebote
- Entscheidung:
- 12.08.2004
- Norm:
- ABGB §879 Abs1 BIId
ABGB §879 Abs3 E - Kategorie:
WEITERE INFORMATIONEN
Entscheidungstexte
1 Ob 144/04i 1 Ob 144/04i Entscheidungstext OGH 12.08.2004 1 Ob 144/04i Veröff: SZ 2004/123
10 Ob 54/04w 10 Ob 54/04w Entscheidungstext OGH 13.06.2005 10 Ob 54/04w Vgl auch; Beisatz: AGB über Risikotragung zwischen Kreditkartenunternehmen und Vertragsunternehmen. (T1); Veröff: SZ 2005/87
3 Ob 122/05w 3 Ob 122/05w Entscheidungstext OGH 13.09.2006 3 Ob 122/05w Vgl auch; Beisatz: Hier: Die im Leistungsverzeichnis für eine öffentliche Ausschreibung enthaltene Klausel, wonach der Anbotsteller bei Annahme von Unklarheiten oder Unvollständigkeiten in der Leistungsbeschreibung oder den technischen Angeboten die Klarstellung oder Ergänzung spätestens 10 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist zu verlangen hat und binnen derselben Frist die Notwendigkeit zusätzlicher, in der Leistungsbeschreibung nicht angeführter Leistungen bekannt zu geben hat, wobei aus diesem Versäumnis resultierende Mehrforderungen nicht geltend gemacht werden können, weicht nicht in einer iSd § 879 Abs 3 ABGB relevanten Weise vom dispositiven Recht ab. (T2)
8 Ob 164/08p 8 Ob 164/08p Entscheidungstext OGH 23.04.2009 8 Ob 164/08p Beisatz: Hier: Eine in den Allgemeinen Vertragsbedingungen (des Auftraggebers) zu einem Generalunternehmervertrag (mit hohem Auftragsvolumen) enthaltene, nicht individuell ausgehandelte Klausel, wonach der Auftragnehmer, wenn er nicht binnen 14 Tagen nach Ausgang des vom Auftraggeber erstellten Schlussabrechnungsblattes dieses an den Auftraggeber retourniert, die Begleichung der Rechnungen durch den Auftraggeber mit Beträgen gemäß der Aufstellung im Schlussabrechnungsblatt akzeptieren muss und dagegen nachträglich keine Einwendungen mehr erheben kann, ist aufgrund der sachlich nicht gerechtfertigten Abweichung von der diesbezüglichen Dreimonatsfrist in der ÖNORM B 2110 gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB. (T3); Bem: Siehe auch RS0124672. (T4); Veröff: SZ 2009/53