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RECHTSPRECHUNG


RS0122175


Ergibt sich im Verlauf der Operation am voll narkotisierten Patienten eine nicht vorhersehbare Änderung der Operation, kann der Eingriff ausnahmsweise auf der Grundlage einer mutmaßlichen Einwilligung des Patienten durchgeführt werden, die darauf beruht, wie sich ein Patient bei objektiver Bewertung der Situation entschieden hätte. Dabei ist vom Arzt eine Abwägung zwischen Lebens- und Gesundheitsgefährdung (bei Abbruch des Eingriffs) und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten vorzunehmen: Die wesentlichen Eckpunkte für die ärztliche Entscheidung werden von der Dringlichkeit der Eingriffsindikation und von der Bedeutung der Folgen einer Unterlassung des weiteren Eingriffs einschließlich der Zumutbarkeit einer Unterbrechung der Anästhesie gebildet. Kann ein Eingriff ohne besondere Probleme abgebrochen und der weitergehende Eingriff auch später ohne erhöhtes Risiko vorgenommen werden, ist die Operation abzubrechen, um die Aufklärung nachzuholen.


Rechtssatz:

Ergibt sich im Verlauf der Operation am voll narkotisierten Patienten eine nicht vorhersehbare Änderung der Operation, kann der Eingriff ausnahmsweise auf der Grundlage einer mutmaßlichen Einwilligung des Patienten durchgeführt werden, die darauf beruht, wie sich ein Patient bei objektiver Bewertung der Situation entschieden hätte. Dabei ist vom Arzt eine Abwägung zwischen Lebens- und Gesundheitsgefährdung (bei Abbruch des Eingriffs) und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten vorzunehmen: Die wesentlichen Eckpunkte für die ärztliche Entscheidung werden von der Dringlichkeit der Eingriffsindikation und von der Bedeutung der Folgen einer Unterlassung des weiteren Eingriffs einschließlich der Zumutbarkeit einer Unterbrechung der Anästhesie gebildet. Kann ein Eingriff ohne besondere Probleme abgebrochen und der weitergehende Eingriff auch später ohne erhöhtes Risiko vorgenommen werden, ist die Operation abzubrechen, um die Aufklärung nachzuholen.

Gericht:
OGH

Geschäftszahl:
10Ob50/07m; 2Ob242/07p; 2Ob142/10m

Schlagworte:

Entscheidung:
26.06.2007

Norm:
ABGB §1299 B

Kategorie:


WEITERE INFORMATIONEN

Entscheidungstexte


10 Ob 50/07m 10 Ob 50/07m Entscheidungstext OGH 26.06.2007 10 Ob 50/07m Beisatz: Mit ausführlicher Erörterung der einschlägigen Literatur. (T1); Veröff: SZ 2007/104
2 Ob 242/07p 2 Ob 242/07p Entscheidungstext OGH 29.05.2008 2 Ob 242/07p Vgl; Beisatz: Ob nach diesen Grundsätzen eine Operationserweiterung durchgeführt werden darf oder allenfalls sogar muss, ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen. (T2)
2 Ob 142/10m 2 Ob 142/10m Entscheidungstext OGH 15.09.2010 2 Ob 142/10m nur: Ergibt sich im Verlauf der Operation am voll narkotisierten Patienten eine nicht vorhersehbare Änderung der Operation, kann der Eingriff ausnahmsweise auf der Grundlage einer mutmaßlichen Einwilligung des Patienten durchgeführt werden, die darauf beruht, wie sich ein Patient bei objektiver Bewertung der Situation entschieden hätte. (T3); nur: Dabei ist vom Arzt eine Abwägung zwischen Lebens- und Gesundheitsgefährdung (bei Abbruch des Eingriffs) und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten vorzunehmen. (T4); nur: Die wesentlichen Eckpunkte für die ärztliche Entscheidung werden von der Dringlichkeit der Eingriffsindikation und von der Bedeutung der Folgen einer Unterlassung des weiteren Eingriffs einschließlich der Zumutbarkeit einer Unterbrechung der Anästhesie gebildet. (T5); Beis wie T2; Beisatz: Je dringlicher der Erweiterungseingriff ist und je mehr der Operationsabbruch medizinisch kontraindiziert ist, desto unbedenklicher ist die Einwilligungsvermutung.(T6)