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RECHTSPRECHUNG


RS0071130


Grobe Fahrlässigkeit: Der Begriff der „auffallenden Sorglosigkeit“ gemäß § 2 Abs 1 NWG entspricht jenem des § 1324 ABGB, dem Antragsteller muss daher grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden können. Wenn auch der bloße Erwerb einer Liegenschaft ohne ausreichende Zugangsmöglichkeit oder Zufahrtsmöglichkeit für sich allein grundsätzlich noch nicht als auffallende Sorglosigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 NWG angesehen werden muss, kann sich aus den gesamten Umständen des Erwerbes der Liegenschaft durch den Antragsteller doch ergeben, dass ihm eine solche auffallende Sorglosigkeit anzulasten ist. Auffallende Sorglosigkeit wird immer dann angenommen, wenn die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlicher Weise vernachlässigt wurde und dieser objektiv besonders schwerwiegende Sorgfaltsverstoß auch subjektiv vorzuwerfen ist. Die in § 2 Abs 1 NWG festgelegte Verpflichtung trifft den Grundeigentümer sowohl beim Erwerb eines Grundstücks – er muss sich im Zuge des Ankaufs um eine Verbindung bemühen – als auch späterhin, indem er den Verlust einer bestehenden Verbindung vorzubeugen hat. Auffallende Sorglosigkeit ist u.a. anzunehmen, wenn jemand eine Liegenschaft ohne vorherige Erkundigung über allfällige Wegeverbindungen erwirbt; das gilt aber nicht, wenn ein tatsächlich eingetretener Wegebedarf in seiner Art, seinem Ausmaß und seiner Intensität bei einer früheren vertraglichen Gestaltung der die notleidenden Liegenschaften treffenden Rechtsbeziehungen nicht leicht vorhersehbar war (zB nach dem Erwerb erfolgte Umwidmung in Bauland). Der Erwerb einer Liegenschaft ohne vorherige Erkundigungen über allfällige Wegeverbindungen indiziert zwar das Vorliegen auffallender Sorglosigkeit. Allerdings bilden entsprechende Erkundigungen keinen Selbstzweck. Eine auffallende Sorglosigkeit kann nur dann vorliegen, wenn der Erwerber durch Erkundigungen eine an die Stelle der Begründung eines Notwegs tretende zumutbare Alternative zur Herstellung einer die ordentliche Bewirtschaftung oder Benützung erst ermöglichenden Verbindung hätte in Erfahrung bringen können. Die bloße Kenntnis oder Nichtkenntnis des Eigentümers von einer Wegeverbindung ist für sich allein nicht ausschlaggebend.


Rechtssatz:

Der Begriff der "auffallenden Sorglosigkeit" gemäß § 2 Abs 1 NWG entspricht jenem des § 1324 ABGB, dem Antragsteller muss daher grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden können.

Gericht:
OGH

Geschäftszahl:
3Ob586/77; 1Ob802/82; 6Ob684/83; 1Ob649/84; 7Ob540/87; 1Ob651/88; 8Ob502/89; 1Ob559/94; 1Ob593/94; 6Ob294/98y; 2Ob229/00s; 1Ob250/00x; 7Ob208/02t; 3Ob183/03p; 6Ob96/06w; 3Ob235/05p; 3Ob278/06p; 8Ob15/08a; 1Ob145/12y

Schlagworte:

Entscheidung:
12.07.1977

Norm:
NWG §2 Abs1

Kategorie:


WEITERE INFORMATIONEN

Entscheidungstexte


3 Ob 586/77 3 Ob 586/77 Entscheidungstext OGH 12.07.1977 3 Ob 586/77
1 Ob 802/82 1 Ob 802/82 Entscheidungstext OGH 12.01.1983 1 Ob 802/82
6 Ob 684/83 6 Ob 684/83 Entscheidungstext OGH 12.01.1984 6 Ob 684/83
1 Ob 649/84 1 Ob 649/84 Entscheidungstext OGH 08.10.1984 1 Ob 649/84
7 Ob 540/87 7 Ob 540/87 Entscheidungstext OGH 05.03.1987 7 Ob 540/87 Veröff: SZ 60/43 = RZ 1988/61 S 225
1 Ob 651/88 1 Ob 651/88 Entscheidungstext OGH 28.09.1988 1 Ob 651/88 Dritter Rechtsgang zu 1 Ob 802/82
8 Ob 502/89 8 Ob 502/89 Entscheidungstext OGH 19.01.1989 8 Ob 502/89 Beisatz: Wenn auch der bloße Erwerb einer Liegenschaft ohne ausreichende Zugangsmöglichkeit oder Zufahrtsmöglichkeit für sich allein grundsätzlich noch nicht als auffallende Sorglosigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 NWG angesehen werden muss, kann sich aus den gesamten Umständen des Erwerbes der Liegenschaft durch den Antragsteller doch ergeben, dass ihm eine solche auffallende Sorglosigkeit anzulasten ist. (T1)
1 Ob 559/94 1 Ob 559/94 Entscheidungstext OGH 30.05.1994 1 Ob 559/94 Vgl auch; Beisatz: Auffallende Sorglosigkeit wird immer dann angenommen, wenn die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlicher Weise vernachlässigt wurde und dieser objektiv besonders schwerwiegende Sorgfaltsverstoß auch subjektiv vorzuwerfen ist. (T2)
1 Ob 593/94 1 Ob 593/94 Entscheidungstext OGH 25.10.1994 1 Ob 593/94
6 Ob 294/98y 6 Ob 294/98y Entscheidungstext OGH 22.04.1999 6 Ob 294/98y Beis wie T2
2 Ob 229/00s 2 Ob 229/00s Entscheidungstext OGH 08.09.2000 2 Ob 229/00s Vgl auch; Beis wie T2
1 Ob 250/00x 1 Ob 250/00x Entscheidungstext OGH 28.11.2000 1 Ob 250/00x Vgl auch; Beis wie T2
7 Ob 208/02t 7 Ob 208/02t Entscheidungstext OGH 11.12.2002 7 Ob 208/02t Vgl auch; Beis wie T2
3 Ob 183/03p 3 Ob 183/03p Entscheidungstext OGH 26.09.2003 3 Ob 183/03p Vgl; Beis wie T2; Beisatz: Allein der Erwerb einer Liegenschaft ohne ausreichende Anbindung an das öffentliche Wegenetz schließt die Einräumung oder Erweiterung eines Notwegs nur dann aus, wenn besondere Umstände auf eine auffallende Sorglosigkeit des Erwerbers schließen lassen, ein Grundsatz, der insbesondere auch dann gilt, wenn die Liegenschaft bereits nach dem beim Erwerbsvorgang gültigen Flächenwidmungsplan Bauland war. (T3); Veröff: SZ 2003/113
6 Ob 96/06w 6 Ob 96/06w Entscheidungstext OGH 24.05.2006 6 Ob 96/06w Vgl auch; Beis wie T2; Beisatz: Die in § 2 Abs 1 NWG festgelegte Verpflichtung trifft den Grundeigentümer sowohl beim Erwerb eines Grundstücks - er muss sich im Zuge des Ankaufs um eine Verbindung bemühen - als auch späterhin, indem er den Verlust einer bestehenden Verbindung vorzubeugen hat. (T4)
3 Ob 235/05p 3 Ob 235/05p Entscheidungstext OGH 27.06.2006 3 Ob 235/05p Auch; Beisatz: Auffallende Sorglosigkeit würde eine ungewöhnliche, schwerwiegende und subjektiv auch vorwerfbare Vernachlässigung der objektiv gebotenen Sorgfalt voraussetzen. (T5); Beisatz: Auffallende Sorglosigkeit ist u.a. anzunehmen, wenn jemand eine Liegenschaft ohne vorherige Erkundigung über allfällige Wegeverbindungen erwirbt; das gilt aber nicht, wenn ein tatsächlich eingetretener Wegebedarf in seiner Art, seinem Ausmaß und seiner Intensität bei einer früheren vertraglichen Gestaltung der die notleidenden Liegenschaften treffenden Rechtsbeziehungen nicht leicht vorhersehbar war (zB nach dem Erwerb erfolgte Umwidmung in Bauland). (T6)
3 Ob 278/06p 3 Ob 278/06p Entscheidungstext OGH 29.03.2007 3 Ob 278/06p Auch; Beis ähnlich T4; Veröff: SZ 2007/52
8 Ob 15/08a 8 Ob 15/08a Entscheidungstext OGH 03.04.2008 8 Ob 15/08a Vgl; Beisatz: Der Erwerb einer Liegenschaft ohne vorherige Erkundigungen über allfällige Wegeverbindungen indiziert zwar das Vorliegen auffallender Sorglosigkeit. Allerdings bilden entsprechende Erkundigungen keinen Selbstzweck. Eine auffallende Sorglosigkeit kann nur dann vorliegen, wenn der Erwerber durch die „Sicherung einer Kommunikation" oder durch Erkundigungen eine an die Stelle der Begründung eines Notwegs tretende zumutbare Alternative zur Herstellung einer die ordentliche Bewirtschaftung oder Benützung erst ermöglichenden Verbindung hätte in Erfahrung bringen können. Die bloße Kenntnis oder Nichtkenntnis des Eigentümers von einer Wegeverbindung ist für sich allein nicht ausschlaggebend. (T7); Beisatz: Hier: Auffallende Sorglosigkeit bejaht. (T8)
1 Ob 145/12y 1 Ob 145/12y Entscheidungstext OGH 06.09.2012 1 Ob 145/12y Vgl; Beis wie T7