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RECHTSPRECHUNG


RS0131382


Ein Anlageberater hat den Anleger auf ihm von dritter Seite zufließende Provisionen hinzuweisen, wenn der Anleger – etwa wegen der Verrechnung eines Ausgabeaufschlags durch den Berater – nicht mit solchen (weiteren) Zahlungen und der damit verbundenen Gefahr einer Interessenkollision rechnen musste. Eine Verletzung dieser Pflicht begründet den Anspruch auf Ersatz des im Erwerb einer nicht gewünschten Anlage liegenden Schadens, wenn der Berater nicht nachweist, dass der Erwerb der Anlage mangels Vorliegens einer Interessenkollision nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung steht.


Rechtssatz:

Auch vor Inkrafttreten des WAG 2007 hatte ein Anlageberater den Anleger auf ihm von dritter Seite zufließende Provisionen hinzuweisen, wenn der Anleger – etwa wegen der Verrechnung eines Ausgabeaufschlags durch den Berater – nicht mit solchen (weiteren) Zahlungen und der damit verbundenen Gefahr einer Interessenkollision rechnen musste. Eine Verletzung dieser Pflicht begründet den Anspruch auf Ersatz des im Erwerb einer nicht gewünschten Anlage liegenden Schadens, wenn der Berater nicht nachweist, dass der Erwerb der Anlage mangels Vorliegens einer Interessenkollision nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung steht.

Gericht:
OGH

Geschäftszahl:
2Ob99/16x; 10Ob58/16a; 8Ob109/16m; 7Ob95/17x; 2Ob172/17h; 4Ob94/17b; 4Ob8/18g; 1Ob137/18f; 8Ob166/18x; 8Ob85/19m; 1Ob159/19t; 3Ob55/20i

Schlagworte:

Entscheidung:
23.09.2020

Norm:
ABGB §1295 Ia9
ABGB §1299 E
ABGB §1311 Iia ABGB § 1295 heute ABGB § 1295 gültig ab 01.01.1917 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916 ABGB § 1299 heute ABGB § 1299 gültig ab 01.01.1812 ABGB § 1311 heute ABGB § 1311 gültig ab 01.01.1812

Kategorie:


WEITERE INFORMATIONEN

Entscheidungstexte


2 Ob 99/16x 2 Ob 99/16x Entscheidungstext OGH 27.04.2017 2 Ob 99/16x Veröff: SZ 2017/53
10 Ob 58/16a 10 Ob 58/16a Entscheidungstext OGH 18.05.2017 10 Ob 58/16a
8 Ob 109/16m 8 Ob 109/16m Entscheidungstext OGH 29.06.2017 8 Ob 109/16m Beisatz: Hier hat der Kläger der Beklagten mit dem Agio ein Entgelt für die Vermittlung der Anlage und die damit zusammenhängende Beratung geleistet. Daher durfte er grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Beklagte nicht darüber hinaus auch noch vom Emittenten oder dessen Vertriebspartner eine Provision erhält. Unter diesen Umständen war die Beklagte verpflichtet, auf weitere - einen möglichen Interessenkonflikt herbeiführende-Provisionen hinzuweisen. Insofern ist auch ein Verschulden des Beraters gegeben, weil er nicht damit rechnen durfte, dass dem Kläger die (zusätzlichen) Innenprovisionen bewusst oder bekannt waren. (T1) Beisatz: Eine Interessenkollision wäre im konkreten Fall dann zu verneinen, wenn die Beklagte die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen hätte, wenn sie dafür (abgesehen vom offen gelegten Ausgabeaufschlag) keine Vergütungen von ihrem Vertriebspartner erhalten hätte. In diesem Fall wäre kein unzulässiges besonderes Eigeninteresse der Beklagten am Vertrieb (gerade) dieser Beteiligung vorgelegen. (T2)
7 Ob 95/17x 7 Ob 95/17x Entscheidungstext OGH 29.11.2017 7 Ob 95/17x
2 Ob 172/17h 2 Ob 172/17h Entscheidungstext OGH 22.03.2018 2 Ob 172/17h Auch; Beis wie T2; Beisatz: Die Beweislast für diesen Umstand trifft die Beklagte. (T3)
4 Ob 94/17b 4 Ob 94/17b Entscheidungstext OGH 22.03.2018 4 Ob 94/17b Auch; Beis wie T1; Beisatz: Nach der Rechtslage nach dem WAG 2007 ist über Innenprovisionen unabhängig davon aufzuklären, ob der Anleger darauf vertrauen durfte, die Beklagte werde keine Provisionen von dritter Seite erhalten. (T4) Veröff: SZ 2018/23
4 Ob 8/18g 4 Ob 8/18g Entscheidungstext OGH 17.07.2018 4 Ob 8/18g Vgl auch
1 Ob 137/18f 1 Ob 137/18f Entscheidungstext OGH 29.08.2018 1 Ob 137/18f Auch; Beisatz: Die Rechtswidrigkeit eines derartigen Aufklärungsmangels liegt im Verschweigen der damit verbundenen Interessenkollision, die grundsätzlich unabhängig von der Höhe der Innenprovision besteht. (T5)
8 Ob 166/18x 8 Ob 166/18x Entscheidungstext OGH 26.02.2019 8 Ob 166/18x Auch
8 Ob 85/19m 8 Ob 85/19m Entscheidungstext OGH 25.10.2019 8 Ob 85/19m Beisatz: Die Beweislast dafür, dass kein unzulässiges besonderes Eigeninteresse der beratenden Bank am Vertrieb (gerade) der konkreten Beteiligung vorliegt, trifft die beratende Bank. (T6) Beisatz: Diese für das (vertragliche) Verhältnis des Anlegers zum Anlageberater gültigen Aussagen sind aber nicht auf das Verhältnis des Anlegers zu einem nach § 1295 Abs 2 ABGB ex delicto in Anspruch genommenen Dritten übertragbar, da in diesem Fall der Geschädigte für das Vorliegen aller die sittenwidrige deliktische Schädigung begründenden Tatumstände behauptungspflichtig ist. (T7)
1 Ob 159/19t 1 Ob 159/19t Entscheidungstext OGH 01.04.2020 1 Ob 159/19t Vgl; Beis wie T3; Beis wie T5; Beis wie T6; Beisatz: Den Anlageberater trifft ein Verschulden an der unterlassenen Aufklärung über die Innenprovision, weil er nicht damit rechnen durfte, dass dem Anleger dieser Umstand bewusst war, nachdem dieser selbst zur Zahlung eines Entgelts (Agio) verpflichtet war. (T8) Beisatz: Aus einem (allfälligen) Verzicht des Anlegers auf Informationen zu Details der empfohlenen Finanzprodukte kann nicht darauf geschlossen werden, dass er auch über die für die Vermittlung gewährten (verdeckten) Innenprovisionen nicht aufgeklärt werden wollte. (T9)
3 Ob 55/20i 3 Ob 55/20i Entscheidungstext OGH 23.09.2020 3 Ob 55/20i Vgl; Beis wie T5; Beisatz: Die Unkenntnis dieser Aufklärungspflicht ist kein entschuldbarer Rechtsirrtum. (T10)