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RECHTSPRECHUNG


RS0108074


Der Anlageberater ist zur Aufklärung seiner Kunden über die Risikoträchtigkeit der in Aussicht genommenen Anlage verpflichtet. Welche Verhaltenspflichten ihn dabei im einzelnen treffen, kann zwar nur aufgrund der konkreten Umstände beurteilt werden, doch treffen ihn jedenfalls Schutzpflichten und Sorgfaltspflichten. Stellt er etwa ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hin, dann haftet er für die fehlerhafte Beratung selbst dann, wenn auch er von der Seriosität des Anlagegeschäfts überzeugt gewesen sein sollte, weil er ein solches Geschäft nicht ohne weiteres als sichere Anlageform anpreisen darf. Die Informationserteilung hat dem Gebot vollständiger, richtiger, rechtzeitiger und verständlicher Beratung zu genügen, durch die der Kunde in den Stand versetzt werden muss, die Auswirkungen seiner Anlageentscheidungen zu erkennen. Bloß allgemein gehaltene Risikohinweise – auch ein solcher über die Gefahr des Totalverlustes – sind bei einem in derartigen Geschäften unerfahrenen Kunden nicht ausreichend. Eine Aufklärung, ob überhaupt eine realistische Gewinnchance bestand oder nicht, ist in Zusammenhang mit jedem konkret zu vermittelnden Optionsgeschäft zu erteilen, allenfalls auch durch Rechenbeispiele. Der Anlageberater schuldet die fachkundige Beratung über die Veranlagung des Kundenvermögens. Bei einer Unternehmensanleihe ist über das Bonitätsrisiko aufzuklären. Bei einem Fremdwährungskredit ist über das Zinsrisiko und das Währungs- bzw Wechselkursrisiko, das sich auf die Kreditsumme auswirken kann, aufzuklären. Wird ein (endfälliger) Kredit mit einem Tilgungsträger (zB Lebensversicherung) kombiniert, so ist zusätzlich über das Wertentwicklungsrisiko aufzuklären, das sich auf den veranschlagten Deckungsbetrag auswirken kann. Wer sich als Anlagenvermittler betätigt, hat über die dafür erforderlichen und erwarteten Kenntnisse zu verfügen oder offenzulegen, dass dies bei ihm nicht der Fall ist. Die Pflicht des Anlageberaters zur Aufklärung wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass es grundsätzlich Sache des Investors ist, die Risken einer Beteiligung abzuschätzen und zu tragen.


Rechtssatz:

Der Anlageberater ist zur Aufklärung seiner Kunden über die Risikoträchtigkeit der in Aussicht genommenen Anlage verpflichtet; welche Verhaltenspflichten ihn dabei im einzelnen treffen, kann zwar nur aufgrund der konkreten Umstände beurteilt werden, doch treffen ihn jedenfalls dem Anlageinteressenten gegenüber Schutzpflichten und Sorgfaltspflichten. Stellt er etwa ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hin und veranlasst er dadurch den Anleger zur Zeichnung einer solchen Beteiligung, dann haftet er für die fehlerhafte Beratung selbst dann, wenn auch er von der Seriosität des Anlagegeschäfts überzeugt gewesen sein sollte, weil er ein solches Geschäft nicht ohne weiteres als sichere Anlageform anpreisen darf.

Gericht:
OGH

Geschäftszahl:
1Ob182/97i; 7Ob118/97x; 6Ob272/97m; 7Ob293/97g; 9Ob2/98d; 7Ob79/98p; 8Ob259/98s; 7Ob177/98z; 7Ob166/99h; 9Ob282/99g; 7Ob306/99x; 6Ob81/01g; 3Ob13/04i; 7Ob90/04t; 7Ob64/04v; 6Ob31/08i; 6Ob67/09k; 9Ob85/09d; 2Ob53/10y; 4Ob137/10s; 7Ob106/10d; 9Ob5/10s; 8Ob9/10x; 6Ob8/11m; 4Ob181/10m; 8Ob107/11k; 4Ob70/11i; 3Ob225/11a; 3Ob241/11d; 3Ob214/11h; 1Ob81/12m; 3Ob49/12w; 6Ob139/12b; 7Ob5/12d; 3Ob209/13a; 7Ob62/14i; 6Ob86/14m; 6Ob213/14p; 6Ob229/14s; 7Ob57/15f; 10Ob62/15p; 8Ob109/17p; 6Ob132/18g; 4Ob176/18p; 3Ob187/18y; 6Ob25/19y

Schlagworte:

Entscheidung:
25.04.2019

Norm:
ABGB §1295 IIf3
ABGB §1295 IIf7g
ABGB §1299 E
ABGB §1300 D ABGB § 1295 heute ABGB § 1295 gültig ab 01.01.1917 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916 ABGB § 1295 heute ABGB § 1295 gültig ab 01.01.1917 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916 ABGB § 1299 heute ABGB § 1299 gültig ab 01.01.1812 ABGB § 1300 heute ABGB § 1300 gültig ab 01.01.1812

Kategorie:


WEITERE INFORMATIONEN

Entscheidungstexte


1 Ob 182/97i 1 Ob 182/97i Entscheidungstext OGH 15.07.1997 1 Ob 182/97i
7 Ob 118/97x 7 Ob 118/97x Entscheidungstext OGH 24.09.1997 7 Ob 118/97x Auch
6 Ob 272/97m 6 Ob 272/97m Entscheidungstext OGH 25.09.1997 6 Ob 272/97m nur: Stellt er etwa ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hin und veranlasst er dadurch den Anleger zur Zeichnung einer solchen Beteiligung, dann haftet er für die fehlerhafte Beratung selbst dann, wenn auch er von der Seriosität des Anlagegeschäfts überzeugt gewesen sein sollte, weil er ein solches Geschäft nicht ohne weiteres als sichere Anlageform anpreisen darf. (T1)
7 Ob 293/97g 7 Ob 293/97g Entscheidungstext OGH 17.12.1997 7 Ob 293/97g Vgl auch; Beisatz: Wer sich als Anlagenvermittler betätigt, hat über die dafür erforderlichen und von den Anlageinteressenten, die gerade bei dieser Vertriebsmethode regelmäßig ohne jede Geschäftserfahrung und ohne ausreichenden konkreten Kenntnisstand sind, erwarteten Kenntnisse zu verfügen oder offenzulegen, dass dies bei ihm nicht der Fall ist. (T2)
9 Ob 2/98d 9 Ob 2/98d Entscheidungstext OGH 01.04.1998 9 Ob 2/98d nur T1; nur: Der Anlageberater ist zur Aufklärung seiner Kunden über die Risikoträchtigkeit der in Aussicht genommenen Anlage verpflichtet; welche Verhaltenspflichten ihn dabei im einzelnen treffen, kann zwar nur aufgrund der konkreten Umstände beurteilt werden. (T3)
7 Ob 79/98p 7 Ob 79/98p Entscheidungstext OGH 05.05.1998 7 Ob 79/98p nur T1; Beis wie T2
8 Ob 259/98s 8 Ob 259/98s Entscheidungstext OGH 21.01.1999 8 Ob 259/98s Beisatz: Nicht nur der Anlageberater sondern auch der Anlagevermittler. (T4)
7 Ob 177/98z 7 Ob 177/98z Entscheidungstext OGH 28.04.1999 7 Ob 177/98z Vgl auch; nur: Stellt er etwa ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hin und veranlasst er dadurch den Anleger zur Zeichnung einer solchen Beteiligung, dann haftet er für die fehlerhafte Beratung. (T5)
7 Ob 166/99h 7 Ob 166/99h Entscheidungstext OGH 14.07.1999 7 Ob 166/99h Vgl auch; Beis wie T4
9 Ob 282/99g 9 Ob 282/99g Entscheidungstext OGH 01.12.1999 9 Ob 282/99g Auch
7 Ob 306/99x 7 Ob 306/99x Entscheidungstext OGH 26.01.2000 7 Ob 306/99x Beis wie T4; Beisatz: Dass der Anlageberater vom Anleger nicht (durch eine von diesem zu entrichtende Provision) gesondert entlohnt wird, ändert nichts, weil er seine beratende Tätigkeit im Rahmen oder doch in Vorbereitung eines insgesamt entgeltlichen Geschäfts entfaltet. (T6); Beisatz: Die Pflicht des Anlageberaters zur Aufklärung wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass es grundsätzlich Sache des Investors ist, die Risken einer Beteiligung abzuschätzen und zu tragen, weil ihm in der Regel unterstellt werden darf, dass er seine wirtschaftlichen Interessen selbst wahrzunehmen imstande ist. (T7)
6 Ob 81/01g 6 Ob 81/01g Entscheidungstext OGH 21.02.2002 6 Ob 81/01g Beis wie T6
3 Ob 13/04i 3 Ob 13/04i Entscheidungstext OGH 26.05.2004 3 Ob 13/04i Beis wie T6; Beis wie T7; Beisatz: Generell gilt, dass die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflichten, die von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig sind, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprojekt beziehen, entscheidend von den Umständen des Einzelfalls abhängt. (T8); Beis wie T4; Beisatz: Dass der Beklagte selbst ihm von der Emittentin gegebenen Zusicherungen vertraute, keine näheren Informationen einholte und selbst die Unrichtigkeit der von ihm gegebenen Zusage offenbar nicht zu erkennen vermochte, befreit ihn im Hinblick auf sein insoweit fahrlässiges Verhalten nicht. (T9)
7 Ob 90/04t 7 Ob 90/04t Entscheidungstext OGH 26.05.2004 7 Ob 90/04t Auch
7 Ob 64/04v 7 Ob 64/04v Entscheidungstext OGH 20.04.2005 7 Ob 64/04v Vgl auch; Beisatz: Die Informationserteilung hat dem Gebot vollständiger, richtiger, rechtzeitiger und verständlicher Beratung zu genügen, durch die der Kunde in den Stand versetzt werden muss, die Auswirkungen seiner Anlageentscheidungen zu erkennen. (T10); Beisatz: Hier: Warentermingeschäfte. (T11); Beisatz: Bloß allgemein gehaltene Risikohinweise - auch ein solcher über die Gefahr des Totalverlustes - sind bei einem in derartigen Geschäften unerfahrenen Kunden nicht ausreichend. Eine Aufklärung, ob überhaupt eine realistische Gewinnchance bestand oder nicht, ist in Zusammenhang mit jeden konkret zu vermittelnden Optionsgeschäft zu erteilen, allenfalls auch durch Rechenbeispiele. (T12)
6 Ob 31/08i 6 Ob 31/08i Entscheidungstext OGH 13.03.2008 6 Ob 31/08i Vgl; Beis ähnlich wie T3; Beisatz: Die den Anlageberater treffenden Verhaltenspflichten sind regelmäßig nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und stellen daher, soweit keine auffallende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar. (T13)
6 Ob 67/09k 6 Ob 67/09k Entscheidungstext OGH 14.05.2009 6 Ob 67/09k Vgl; Beis wie T8
9 Ob 85/09d 9 Ob 85/09d Entscheidungstext OGH 11.05.2010 9 Ob 85/09d Vgl auch; Beisatz: Der Anlageberater schuldet die fachkundige Beratung über die Veranlagung des Kundenvermögens. (T14); Veröff: SZ 2010/53
2 Ob 53/10y 2 Ob 53/10y Entscheidungstext OGH 08.07.2010 2 Ob 53/10y Beis wie T10; Beisatz: Keine fehlerhafte, haftungsbegründende Beratung des Anlageberaters, wenn die Veranlagung zwar nicht der Ankreuzung im „Anlegerprofil“ entsprach, der Berater jedoch mündlich und schriftlich ausreichende Risikohinweise gegeben hat. (T15)
4 Ob 137/10s 4 Ob 137/10s Entscheidungstext OGH 31.08.2010 4 Ob 137/10s Vgl auch; Beisatz: Hier: Durch den Hinweis auf die „Sicherheit“ nahm der Kfz‑Vermittler aber für sich in Anspruch, das Vertriebssystem zu durchschauen. (T16)
7 Ob 106/10d 7 Ob 106/10d Entscheidungstext OGH 29.09.2010 7 Ob 106/10d Auch
9 Ob 5/10s 9 Ob 5/10s Entscheidungstext OGH 24.11.2010 9 Ob 5/10s Auch; nur T1; Beisatz: Eigenhaftung des Anlagevermittlers als Ausnahme von der abschließenden Regelung des § 1313a ABGB ist ua bei zumindest schlüssigem Zustandekommen eines Auskunftsvertrags iSd § 1300 ABGB anzunehmen. Der Anlagevermittler hat daher über die Risikoträchtigkeit einer Anlageform (hier: stille Beteiligung an einem unbekannten amerikanischen Unternehmen) aufzuklären. (T17)
8 Ob 9/10x 8 Ob 9/10x Entscheidungstext OGH 04.11.2010 8 Ob 9/10x
6 Ob 8/11m 6 Ob 8/11m Entscheidungstext OGH 24.02.2011 6 Ob 8/11m Vgl auch; Beis wie T13
4 Ob 181/10m 4 Ob 181/10m Entscheidungstext OGH 10.05.2011 4 Ob 181/10m Vgl auch; Beis ähnlich wie T16
8 Ob 107/11k 8 Ob 107/11k Entscheidungstext OGH 22.11.2011 8 Ob 107/11k Vgl auch
4 Ob 70/11i 4 Ob 70/11i Entscheidungstext OGH 22.11.2011 4 Ob 70/11i Auch; nur T1; Beis ähnlich wie T2; Beisatz: Hier: Bejahung einer Aufklärungspflicht über das Bonitätsrisiko bei einer Unternehmensanleihe. (T18)
3 Ob 225/11a 3 Ob 225/11a Entscheidungstext OGH 14.12.2011 3 Ob 225/11a Auch
3 Ob 241/11d 3 Ob 241/11d Entscheidungstext OGH 18.01.2012 3 Ob 241/11d
3 Ob 214/11h 3 Ob 214/11h Entscheidungstext OGH 18.01.2012 3 Ob 214/11h Vgl auch
1 Ob 81/12m 1 Ob 81/12m Entscheidungstext OGH 22.06.2012 1 Ob 81/12m Vgl auch; Beis wie T10
3 Ob 49/12w 3 Ob 49/12w Entscheidungstext OGH 14.06.2012 3 Ob 49/12w
6 Ob 139/12b 6 Ob 139/12b Entscheidungstext OGH 16.11.2012 6 Ob 139/12b
7 Ob 5/12d 7 Ob 5/12d Entscheidungstext OGH 18.02.2013 7 Ob 5/12d
3 Ob 209/13a 3 Ob 209/13a Entscheidungstext OGH 19.12.2013 3 Ob 209/13a Auch; nur T1
7 Ob 62/14i 7 Ob 62/14i Entscheidungstext OGH 07.05.2014 7 Ob 62/14i Auch; Beisatz: Fragen, die den konkreten Umfang von Beratungs‑ und Aufklärungspflichten von Banken und Anlageberatern betreffen, sind solche des Einzelfalls. (T19)
6 Ob 86/14m 6 Ob 86/14m Entscheidungstext OGH 26.06.2014 6 Ob 86/14m Auch; Beis wie T13
6 Ob 213/14p 6 Ob 213/14p Entscheidungstext OGH 15.12.2014 6 Ob 213/14p Auch; nur T1; Beis wie T8; Beis wie T13
6 Ob 229/14s 6 Ob 229/14s Entscheidungstext OGH 19.02.2015 6 Ob 229/14s Auch; Beis wie T13
7 Ob 57/15f 7 Ob 57/15f Entscheidungstext OGH 20.05.2015 7 Ob 57/15f Beis wie T15; Beisatz: Zur Rechtslage nach dem WAG 2007. (T20)
10 Ob 62/15p 10 Ob 62/15p Entscheidungstext OGH 28.06.2016 10 Ob 62/15p nur T1
8 Ob 109/17p 8 Ob 109/17p Entscheidungstext OGH 28.09.2017 8 Ob 109/17p Auch; nur T3; Beis wie T8; Beis wie T10; Beisatz: Bei einem Fremdwährungskredit ist über das Zinsrisiko und das Währungs- bzw Wechselkursrisiko, das sich auf die Kreditsumme auswirken kann, aufzuklären. (T21) Beisatz: Wird ein (endfälliger) Kredit mit einem Tilgungsträger (zB Lebensversicherung) kombiniert, so ist zusätzlich über das Wertentwicklungsrisiko aufzuklären, das sich auf den veranschlagten Deckungsbetrag auswirken kann. (T22)
6 Ob 132/18g 6 Ob 132/18g Entscheidungstext OGH 31.08.2018 6 Ob 132/18g Auch; Ähnlich nur T3; Beis wie T8; Beis wie T21; Beis wie T22; Beisatz: Hier: Zur Änderung der Währungspolitik der Schweizerischen Nationalbank. (T23)
4 Ob 176/18p 4 Ob 176/18p Entscheidungstext OGH 25.09.2018 4 Ob 176/18p Beis wie T21; Beis wie T22
3 Ob 187/18y 3 Ob 187/18y Entscheidungstext OGH 24.10.2018 3 Ob 187/18y Auch; nur T3; Beis wie T19
6 Ob 25/19y 6 Ob 25/19y Entscheidungstext OGH 25.04.2019 6 Ob 25/19y Beis wie T21; Beis wie T22