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RECHTSPRECHUNG


RS0026805


In besonderen Ausnahmefällen hat die Verschwiegenheitspflicht der Bank gegenüber dem Hauptschuldner hinter die Warnpflicht und Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Bürgen zurückzutreten, etwa wenn die Bank bereits vor Abschluss des Bürgschaftsvertrages Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners hat. Ein derartiger Ausnahmefall wird auch schon dann anzunehmen sein, wenn die Bank auf Grund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vornherein weiß, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur seinerzeitigen Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird und sie daher den Bürgen allein – abweichend von der (banküblichen) üblichen Funktion einer Bürgschaft – wird in Anspruch nehmen müssen. Beisatz (T8; 1 Ob 93/02m): Hier: Pfandbestellungsvertrag.


Rechtssatz:

In besonderen Ausnahmefällen hat die Verschwiegenheitspflicht der Bank gegenüber dem Hauptschuldner hinter die Warnpflicht und Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Bürgen zurückzutreten, etwa wenn die Bank bereits vor Abschluss des Bürgschaftsvertrages Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Schuldners hat. Ein derartiger Ausnahmefall wird auch schon dann anzunehmen sein, wenn die Bank auf Grund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vornherein weiß, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur seinerzeitigen Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird und sie daher den Bürgen allein - abweichend von der (banküblichen) üblichen Funktion einer Bürgschaft - wird in Anspruch nehmen müssen.

Gericht:
OGH

Geschäftszahl:
5Ob530/84; 7Ob625/85; 3Ob554/86; 6Ob508/86 (6Ob509/86); 7Ob735/87; 3Ob559/86; 3Ob506/88; 8Ob3/91; 6Ob590/91; 8Ob11/92; 8Ob1016/93; 4Ob1687/95; 3Ob80/97d; 8Ob119/97a; 8Ob165/97s; 10Ob19/99p; 4Ob1/99x; 8Ob50/00m; 8Ob253/99k; 6Ob145/00t; 8Ob4/01y; 1Ob93/02m; 7Ob260/06w; 1Ob83/08z; 4Ob14/09a; 8Ob5/11k; 6Ob249/10a; 9Ob34/12h; 1Ob29/15v; 4Ob254/14b; 7Ob176/16g; 4Ob164/18y; 10Ob19/23a

Schlagworte:
,

Entscheidung:
31.10.2023

Norm:
ABGB §1299 E
ABGB §1346 G
ABGB §1368
KWG 1979 §23 ABGB § 1299 heute ABGB § 1299 gültig ab 01.01.1812 ABGB § 1346 heute ABGB § 1346 gültig ab 01.01.1917 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916 ABGB § 1368 heute ABGB § 1368 gültig ab 01.01.1812

Kategorie:


WEITERE INFORMATIONEN

Entscheidungstexte


5 Ob 530/84 5 Ob 530/84 Entscheidungstext OGH 03.04.1984 5 Ob 530/84 Veröff: SZ 57/70 = EvBl 1984/160 S 663
7 Ob 625/85 7 Ob 625/85 Entscheidungstext OGH 07.11.1985 7 Ob 625/85 Auch
3 Ob 554/86 3 Ob 554/86 Entscheidungstext OGH 18.02.1987 3 Ob 554/86 Auch; Veröff: WBl 1987,211 = ÖBA 1987,576
6 Ob 508/86 6 Ob 508/86 Entscheidungstext OGH 09.02.1988 6 Ob 508/86 Vgl auch; Beisatz: Hier: Hausbank und Konzernmutter bei Wechseldiskontgeschäft (T1) Veröff: RdW 1988,130 = WBl 1988,129 (Wilhelm) = ÖBA 1988,828 (mit Anmerkung von Apathy)
7 Ob 735/87 7 Ob 735/87 Entscheidungstext OGH 25.02.1988 7 Ob 735/87 Veröff: ÖBA 1988,1037
3 Ob 559/86 3 Ob 559/86 Entscheidungstext OGH 08.03.1988 3 Ob 559/86 nur: In besonderen Ausnahmefällen hat die Verschwiegenheitspflicht der Bank gegenüber dem Hauptschuldner hinter die Warnpflicht und Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Bürgen zurückzutreten. (T2) Veröff: SZ 61/55 = EvBl 1989/1 S 13 = RZ 1988/51 S 221 = WBl 1988,240 = ÖBA 1988,1022 (Jabornegg)
3 Ob 506/88 3 Ob 506/88 Entscheidungstext OGH 29.06.1988 3 Ob 506/88
8 Ob 3/91 8 Ob 3/91 Entscheidungstext OGH 20.06.1991 8 Ob 3/91 nur T2; Beisatz: Aufklärungspflicht der Bank nicht nur bei Eingehen einer Bürgschaft, sondern auch während des bestehenden Vertragsverhältnisses, sodass der Bürge über wichtige Veränderungen in den Beziehungen der Bank zum Hauptschuldner verständigt werden muss. (T3) Veröff: ÖBA 1992,78 (Mader) = JBl 1992,40
6 Ob 590/91 6 Ob 590/91 Entscheidungstext OGH 07.11.1991 6 Ob 590/91 Auch; Beisatz: Hier: Auskunftspflicht und Rechnungslegungspflicht der Bank gegenüber Pfandgläubiger und begünstigtem Dritten aus einem Sperrkonto. (T4) Veröff: ÖBA 1992,654 (Jabornegg) = RdW 1992,171
8 Ob 11/92 8 Ob 11/92 Entscheidungstext OGH 25.06.1992 8 Ob 11/92 Auch; Beisatz: Und die Bank damit rechnen muss, dass dem als Bürgen fungierenden nahen Angehörigen diese Umstände nicht ebenfalls bewusst sind. (T5) Veröff: ÖBA 1993,61 = RdW 1992,399
8 Ob 1016/93 8 Ob 1016/93 Entscheidungstext OGH 08.07.1993 8 Ob 1016/93 Vgl auch; Beis wie T5
4 Ob 1687/95 4 Ob 1687/95 Entscheidungstext OGH 16.01.1996 4 Ob 1687/95 Auch; Beis wie T5
3 Ob 80/97d 3 Ob 80/97d Entscheidungstext OGH 21.05.1997 3 Ob 80/97d Beis wie T5
8 Ob 119/97a 8 Ob 119/97a Entscheidungstext OGH 18.09.1997 8 Ob 119/97a Auch; Beis wie T3; Veröff: SZ 70/182
8 Ob 165/97s 8 Ob 165/97s Entscheidungstext OGH 30.10.1997 8 Ob 165/97s Auch; Beis wie T5; Beisatz: Im Übrigen dürfen Aufklärungspflichten von Banken gegenüber Bürgen aber nicht überspannt werden. (T6)
10 Ob 19/99p 10 Ob 19/99p Entscheidungstext OGH 09.02.1999 10 Ob 19/99p Vgl auch; Beis wie T3
4 Ob 1/99x 4 Ob 1/99x Entscheidungstext OGH 04.02.1999 4 Ob 1/99x Vgl auch; Beis wie T5
8 Ob 50/00m 8 Ob 50/00m Entscheidungstext OGH 24.02.2000 8 Ob 50/00m Vgl
8 Ob 253/99k 8 Ob 253/99k Entscheidungstext OGH 11.05.2000 8 Ob 253/99k Vgl auch; Beis wie T5; Veröff: SZ 73/79
6 Ob 145/00t 6 Ob 145/00t Entscheidungstext OGH 28.06.2000 6 Ob 145/00t Vgl; Beis wie T6; Beisatz: Die Anforderungen an die Bank dürfen nicht überspannt werden, im Besonderen dann nicht, wenn zwischen Hauptschuldner und Bürgen oder Pfandbesteller - wie hier - eine besondere Nahebeziehung besteht. (T7)
8 Ob 4/01y 8 Ob 4/01y Entscheidungstext OGH 30.08.2001 8 Ob 4/01y
1 Ob 93/02m 1 Ob 93/02m Entscheidungstext OGH 11.06.2002 1 Ob 93/02m Auch; Beisatz: Hier: Pfandbestellungsvertrag . (T8)
7 Ob 260/06w 7 Ob 260/06w Entscheidungstext OGH 28.03.2007 7 Ob 260/06w Auch; Beis wie T8; Beisatz: Legte eine Bank bei der Prüfung der Ausfinanzierung des Projektes alle Förderungen zugrunde, obwohl noch keine verbindlichen Förderzusagen vorlagen, also nicht einmal die Ausfinanzierung des Projektes und damit der künftige Bestand des Unternehmens vor Aufnahme des Betriebs gesichert war, hätte eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank bestanden, dass die Förderungen zwar mündlich zugesagt, aber noch nicht bewilligt wurden und daher zurzeit nicht einmal die Ausfinanzierung des Projektes gesichert ist, bevor sie mit den wirtschaftlich an dem Projekt nicht Beteiligten Hypothekarverträge abschloss. (T9)
1 Ob 83/08z 1 Ob 83/08z Entscheidungstext OGH 06.05.2008 1 Ob 83/08z Vgl auch; Beisatz: Eine bloße Voraussehbarkeit der Zahlungsunfähigkeit oder des unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs löst die Aufklärungspflicht des Kreditgebers (noch) nicht aus. (T10)
4 Ob 14/09a 4 Ob 14/09a Entscheidungstext OGH 24.02.2009 4 Ob 14/09a Auch; Beis wie T5; Beis wie T7; Beis wie T8; Beisatz: Auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 25c KSchG. (T11)
8 Ob 5/11k 8 Ob 5/11k Entscheidungstext OGH 22.02.2011 8 Ob 5/11k Auch; Beis wie T5
6 Ob 249/10a 6 Ob 249/10a Entscheidungstext OGH 28.01.2011 6 Ob 249/10a Vgl; Beis wie T5
9 Ob 34/12h 9 Ob 34/12h Entscheidungstext OGH 26.11.2012 9 Ob 34/12h Vgl; Bem: Mit Ausführungen zum Bankgeheimnis nach § 38 BWG. (T12) Veröff: SZ 2012/127
1 Ob 29/15v 1 Ob 29/15v Entscheidungstext OGH 23.04.2015 1 Ob 29/15v Vgl auch; Beis wie T5
4 Ob 254/14b 4 Ob 254/14b Entscheidungstext OGH 11.08.2015 4 Ob 254/14b Auch; Beis wie T5; Beis wie T10
7 Ob 176/16g 7 Ob 176/16g Entscheidungstext OGH 13.10.2016 7 Ob 176/16g Auch; Beis wie T5
4 Ob 164/18y 4 Ob 164/18y Entscheidungstext OGH 29.01.2019 4 Ob 164/18y
10 Ob 19/23a 10 Ob 19/23a Entscheidungstext OGH Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage 31.10.2023 10 Ob 19/23a Beisatz wie T5 Beisatz: Hier: nicht unbeträchtliches wirtschaftliches Eigeninteresse des Beklagten am Projekt des Kreditnehmers und damit auch an der Kreditgewährung. (T13)